Montag, 5. Dezember 2011

Virtuelle Instrumente

Ich habe mir letzte Woche zwei virtuelle Instrumente gekauft. Da Native Instruments einige von ihren VST Instrumenten um 50% reduziert hat, habe ich mich nun an ein Streicher Ensemble und einen Flügel gewagt. Ich war jahrelang nicht überzeugt von der Midi-Technik. Midi war für mich immer der Inbegriff des Rumgepiepse und irgendwie nichts für Musiker, da man zu viel im Nachhinein korrigieren konnte. Also etwas für den Baukasten am Rechner und das hatte für mich wenig mit Musik zu tun. Zumal man mit einer Oktave einspielte und viele eigentlich gar kein Instrument beherrschen. Alles irgendwie Betrug.

Nun habe ich aber selbst mehrere Demos gesehen und gehört. Dabei ist mir aufgefallen, dass sich eine Menge in diesem Samplingbereich getan hat. Nicht nur, was die Qualität des Klangs angeht, sondern auch in der Praktikabilität.

Session Strings Pro

Ich möchte nicht das ganze Instrument hier vorstellen. Infos gibt es unter den Links unter dem Artikel. Dort kann man im Detail nachlesen, was das Instrument so bietet. Reizvoll an diesem VST Instrument war für mich nicht nur der Klang, sondern auch die Spielbarkeit über Kontakt Player und einer Midi-Tastatur. Außerdem wurde eine Voreinstellung "Performance" mitgeliefert. Diese Einstellungen sind optimiert, einfach loszuspielen und beim Spielen Ideen entwickeln zu können. Ich habe mir ein mit halbgewichteten 88 Tasten ausgerüstetes Masterkeyboard von M-Audio (88ES) gekauft, dass große Tasten hat und etwas an das Spielgefühl eines Klaviers oder besseren Keyboards heran reicht. (Mein E-Piano steht im Proberaum und soll auch dort bleiben.) Die Klaviatur wird von Session Strings Pro in Register eingeteilt, sodass man auch die entsprechenden Streicher in der richtigen Lage spielt. Es gibt also auch nur den natürlichen Tonumfang der Instrumente. Das hat den Vorteil, dass der Klang immer natürlich bleibt und die Register nicht künstlich verschoben werden. Das hat auch den Effekt, dass es möglich ist ein Streicher-Ensemble intuitiv zu spielen und den Klang mit einem Klavier herzustellen. Als Instrumentalist ist das sehr reizvoll und sinnvoll in der Entwicklung musikalischer Ideen. Zum Produzieren gibt es eine Produktions-Voreinstellung, die etwas weniger Raumhall hat und einige andere Parameter.



New York Concert Grand

Die live Spielbarkeit reizte mich auch am New York Concert Grand. Der Klang dieses amerikanischen Modells eines Konzertflügels ist nicht so spitz, zielgerichtet und klar, wie bspw. beim Berlin Concert Grand. Die Stimmung und wohl die Bauweise gibt diesen typisch amerikanischen Jazzklang in meinen Ohren. Das, was man oft auf Jazzplatten hören kann. Mein Yamaha P-120 bot mir diesen doch sehr charakteristischen Sound nicht an. Und da man den New York Grand eben auch live als VST Instrument spielen kann, war es klar, dass ich ihn mir bei dem 50% Rabatt Angebot gleich mitbestelle. Einige Voreinstellungen zeigen die Bandbreite des Flügels von Jazz bis Pop. Auch das Hören der Obertonschwingungen finde ich ein interesssantes Mittel mit dem Klang zu experimentieren.






Was bieten mir VST Instrumente?

Ein Plus ist die Bearbeitbarkeit im Midi-Modus. Wenn ich live ein Instrument als Wave-Datei aufzeichne, kann ich im Nachhinein keinen falschen Ton mehr korrigieren, sondern muss neu einspielen. Das kann lange dauern und nerven. In der Midi-Spur kann ich jeden einzelnen Ton editieren. Von Tonhöhe und -länge bis Lautstärke und vieles mehr kann nach der Aufnahme noch korrigiert und verändert werden. Hört man das dann nicht? Wenn man sich Mühe gibt nicht. Die Instrumente sind mittlerweile so gut gesamplet, dass man kaum Unterschiede hören kann. Und wenn die VSTs in einem Mix verwendet werden, sind minimale Unterschiede zu einem akustischen Instrument kaum noch auszumachen. Man bekommt somit die preisgünstige und Platz sparende Alternative dazu, sich die akustischen Instrumente zu kaufen bzw. ganze Ensembles zu spielen und aufnehmen zu können. Wer hat schon die Gelegenheit für eine kleine Idee, 10 Streicher zu organisieren und zu bezahlen? Da, wie gesagt, sich der Klang extrem verbessert hat, wohl auch durch verbesserte Sample-Technik, kann man also auch zu Hause am Rechner sehr gute Ergebnisse erzielen ohne gleich tausende von Euro ausgeben zu müssen.



Wären VST-Instrumente für den Live-Einsatz geeignet?

Ich denke ja! Alles was man benötigt, wäre ein leistungsstarker Computer, worauf der Kontakt Player läuft und die entsprechenden Instrumente geladen werden. Die Latenz lässt sich durch Einstellungen und gutem Equipment ausgleichen. Damit spielt sich das Instrument, als hätte man einen Synthesizer gekauft. Für diesen Sound müsste man sicher zwei bis drei tausend Euro investieren. So kann man in ein Laptop, Masterkeyboard, evtl. Interface und die VST Instrumente investieren. Das wird sicher günstiger.
Es würde sich sicher realisieren lassen, VST Instrumente zu laden und sie in Kombination mit einem akustischen Instrument auch live zu spielen. Vielleicht könnte man auch alles virtuell machen. Nur habe ich bisher noch nicht heraus bekommen, wie man Instrumente layern kann, also übereinander legt. Das wäre eine interessante Sache. Außerdem müsste der Computer so stabil laufen, dass die Software nicht beim spielen abstürtzt. Die Voreinstellungen zum Klang der Instrumente kann man in Ruhe zu Hause machen. Dann muss man live nichts mehr verstellen. Man würde schwere Transporte sparen damit und Klang nutzen können, der sonst nur in teuren Besetzungen oder Synthesizern zu finden ist. Außerdem kann man auch mehrere Masterkeyboards benutzen und Instrumente mit Effekten ergänzen. Bibliotheken gibt es genug zu kaufen. Bis hin zu professionellen Vertonungswerkzeugen für Filmmusik.

Könnte man virtuelle Instrumente für Musik im Improtheater nutzen?

Na klar. Wie gesagt, es kommt drauf an, ob die Technik intuitiv nutzbar und stabil ist. Auf der Bühne möchte ich nicht ewig mit der Maus suchen, welchen Sound ich nun spiele. Denkbar wären gut überlegte Voreinstellungen für Instrumente und Effekte, die mit Masterkeyboards oder Sampler gespielt werden können.

Da Filmmusik mittlerweile auch digital hergestellt wird, wäre es reizvoll dies auch auf der Improbühne auszuprobieren. Obwohl immer die Gefahr besteht, die Szenen zu zu kleistern. Also ist Vorsicht geboten. Aber auf einen Versuch würde ich es ankommen lassen.

Links

native-instruments.com
m-audio.de
releasetime.de - Interessantes Blog mit vielen Artikeln über VST, Audioproduktion, etc.
cinesamples.com - Sample Produzenten für Filmmusik



Mittwoch, 19. Oktober 2011

Wenn es sein muss


Künstlerische Pausen gehören dazu. Selbst wenn man sich "seine Kunst" leisten kann oder zumindest in der Grundabsicherung so sicher lebt, dass man es könnte, muss man es nicht tun.
Für mich kommt Kunst von "machen müssen". Wenn ich den großen Drang habe meine Kunst zu präsentieren, dann setzt man Energien frei, um dies zu verwirklichen. Ich habe ca. 1,5 Jahre in Berlin ein improvisiertes Klavierkonzert gegeben. Ein Mal im Monat spielte ich das, was ich "meine Kunst" nenne. Das, worin ich mich wiederfinde und verlieren will, weil es meins ist. Seit längerer Zeit nun pausiere ich. Einerseits, weil der Ort, an dem ich spielte, geschlossen und für mich nach der Zeit meiner Konzerte auch verbrannt ist. Es war nie hundert Prozent befriedigend dort zu spielen. Andererseits tut mir die Pause gut, weil es zur Zeit nicht ansteht ein improvisiertes Konzert zu spielen. Mit anderen Worten: Ich muss gerade nicht diese Art von Kunst machen. Ich habe keinen Drang. Und was nützt es zu spielen, wenn man ohne Bedürfnis auf Belanglosigkeit oder gar Einfallslosigkeit verfällt. Die Inspiration dazu ist nicht da und wird genau in solchen Phasen gesammelt. Bis da wieder diese Unruhe ist, dieses Bedürfnis, sich mitzuteilen auf dem Instrument. Und dann werden es wieder ganz andere Konzerte, weil man in der Zwischenzeit dazu gelernt und dazu gelebt hat. Vielleicht hat sich der Stil weiterentwickelt. Vielleicht ist es genauso.

Wichtig ist, dass man sich nicht bremst, wenn man Kunst machen muss. Wichtig ist auch, lieber eine Pause zu machen und Inspiration zu schöpfen, als belanglos an der Oberfläche zu bleiben, nur damit man nicht aus dem Gedächtnis der Menschen verschwindet. Eines ist sicher, die Welt verändert sich und man selbst mit ihr. Daher werden die zukünftigen Konzerte, egal wann ich sie spielen werde, ganz anders werden. Sie sind eben improvisiert und damit in höchstem Maße ich selbst.

Sonntag, 9. Oktober 2011

Der Ort für die Kunst

Das Theater ohne Probe spielt in einer Neuköllner Kirche Improtheater. Richtig zufrieden sind die Spieler damit nicht. Kann es am Ort liegen?

Da Kunst immer mit dem Ort in Zusammenhang als Kunst gesehen wird, hat es Theater in einem derart mit Bedeutung aufgeladenen Ort wie die Kirche schwer zur Geltung kommen zu können. Der Ort strahlt zu sehr mit seiner Funktion und seinen Merkmalen. Ein Podest, und sei es ein Altar, kann nur dann zur Bühne werden, wenn es so fokussiert werden kann, dass der Zuschauer ein weniger mehr vergisst, wo er sich befindet. Verschiedene Erfahrungen mit dem Ort Kirche spielen ebenfalls eine Rolle. Menschen, die aus kultur- und kunsthistorischen Motiven in Kirchen gehen, haben es sicherlich noch leichter in der Theaterrezeption, als Gläubige, für die dieser Ort an ganz andere Erwartungen geknüpft ist. Auch wenn sie vorgeben sich ja heimisch oder zu mindest wohl fühlen in dieser Umgebung, werden sie immer ihre Erfahrungen mit dem Gotteshaus auf die Theatererfahrung legen. Gegen die Bedeutung dieses Ortes anzuspielen ist schwer. Entweder man bedient den Rahmen und damit die Erwartungen oder man muss über eine andere Bühne nachdenken. Man bedenke, dass es Theaterpublikum gibt, dass jedoch nicht in eine Kirche geht. Aus welchen Gründen auch immer.

Das Theater ohne Probe spielt jeden ersten Freitag im Monat in der  Martin-Luther-Kirche Neukölln, Fuldastraße 50, 12045 Berlin. 

Samstag, 8. Oktober 2011

Vokabeltraining - Kommunikation zwischen Improspieler und Musiker

Laut Systemtheorie existieren soziale Systeme nur durch Kommunikation. Heißt: Wer nicht mit einander spricht, ob verbal oder nonverbal, hat keine Beziehung zu einander. Sicherlich etwas herunter gebrochen, doch ganz brauchbar im Ansatz. Probleme in einer zwischenmenschlichen Beziehung entstehen in den meisten Fällen auf Grund fehlender oder mangelhafter Kommunikation der Beteiligten. Und selbst, wenn miteinander gesprochen wird, heißt es noch lange nicht, dass das Gegenüber versteht, was gesagt wurde. Wichtig ist dabei eine gemeinsame Sprache zu sprechen oder sich auf ein gemeinsames Vokabular zu einigen.

In der Kommunikation zwischen Improspielern und Musikern herrscht oft eine Schieflage, weil Improspieler eben nicht die Vokabeln der Musik kennen. Daher rühren auch Aussagen, wie "schöne Musik", die so unkonkret sind, dass sie schon fast beleidigen, obwohl gut gemeint. Ich möchte eine kleine Hilfe geben, welche Vokabeln für den Improspieler hilfreich sind, um auszudrücken, was sie von ihrem Musiker wollen. Diese Beschreibungshilfen kommen zum Großteil aus der Musikanalyse oder Spielanweisungen und betreffen vor allem Tempobezeichnungen, Charakter und Artikulation. Für viele schon in der Schule ein Graus, bedient sich die Musikanalyse jedoch einem einfachen Mittel: der Metapher. Viele musikalische Zusammenhänge werden nicht nur mit Fachtermini erläutert, sondern gerade in der Musikwirkung verwendet man Bilder. Ich werde versuchen neben Fachbegriffen auch Anregungen für Bilder zu geben, die eine Kommunikation zwischen Improspielern und Musikern vereinfachen können. Jedoch bleibt es immer dem sozialen System überlassen, welche Sprache gemeinsam gesprochen wird. Daher ist es immer hilfreich gemeinsame Vokabeln zu entwickeln. Die erhöhen letztlich auch das Zusammengehörigkeitsgefühl.

Tempo - Tempobezeichungen

In der klassischen Musik gibt es italienische Begriffe für Tempoangaben. Da dies nicht sehr praktikabel ist für Nicht-Musiker, gebe ich Anregungen in deutscher Sprache. Man sieht sehr gut, wie bildhaft das sein kann. Die Auflistung beginnt bei einem langsamen Tempo und steigert sich zu einem schnellen

breit, schwer, langsam, ruhig, gehend, schreitend, mäßig, schnell, munter, lebhaft, lebendig, sehr schnell, äußerst schnell. rasend, rasant

Ergänzend gibt es Charakterbezeichnungen, die auf das Tempo bezogen werden können:

lethargisch, phlegmatisch, lieblich, gesanglich, getragen, geistvoll, mit Ausdruck, mit Pathos, majestätisch, marschierend, zart, mit Liebe, heiter, schwungvoll, feurig, mit Leidenschaft, fröhlich, hektisch, hysterisch

In der moderneren Musik wird das Tempo nicht mehr mit italienischen Begriffen angegeben. Man führte die "Schläge pro Minute" bzw. "Beats per minute", abgekürzt bpm, ein. Während die althergebrachten Tempoangaben eher Gefühlssache und analog daher kommen, ist die Zahl der bpm eine digitale Variante. Auch wenn niemand ohne Metronom in der Lage sein dürfte, exakt 127 bpm zu spielen, so ist eine Zahl dennoch hilfreich, wenn man keine der oben genannten Begriffe verwenden möchte. Ich lasse mir in Improvisationen auch gern vom Publikum eine Zahl zwischen 60 und 150 geben und meine damit bpm, ohne dass ich dies vor der Abfrage erkläre. Ich treffe dann zwar auch nicht die 78 bpm, jedoch weiß ich, dass es ein langsames Stück wird.

Wie also mit bpm umgehen?

Auf der Website http://a.bestmetronome.com/ gibt es eine Online-Variante eines Taktgebers. Zu hören sind die Grundschläge des Rhythmus, das Metrum. In einem Techno-Rhythmus ist das Metrum durch die Bass-Drum hörbar gemacht und verstärkt.

Probiert aus, welche Zahlen welches Tempo bedeuten. In einem Keyboard oder elektronischen Piano ist meist ein Metronom eingebaut.


Beispiele:


Liebesballade: ca. 60-90 bpm
ruhiger Bossa Nova: ca. 105-115 bpm
tanzbares Lied: ca. 120-130 bpm
schneller Rocksong: ca. 140-160 bpm
schneller Swing, Bepop: ca. 160-220 bpm


Jede Musik hat ihren Charakter, jede Musik macht Bilder im Kopf.

Wenn es nicht nur um das Tempo eines Liedes gehen soll, bedient Euch dessen, was Ihr als Improspieler ständig tut: Assoziationen. Sie sind Bilder in unserem Kopf. Was stellt Ihr Euch vor, wenn es ein getragener, langsamer Song werden soll? Beschreibt das Bild mit Euren eigenen Worten und lasst das Bild vom Musiker mit seinen Worten ergänzen, um heraus zu finden, ob er verstanden hat, was Du meinst. Malt zusammen das Bild aus. Es wird ja auch ein gemeinsamer Song, Eure gemeinsame Improvisation, also auch Eure gemeinsame Assoziation, in die jeder seine mit dazu tut. Stellt Vergleiche an!

Beispiele

Die Strophe ist wie ein alter König, der auf seinem Thron sitzt und gütig auf sein Volk schaut. Im Refrain versucht sein Gegenspieler ihn zu vergiften. Am Ende stirbt der König einen langen qualvollen Tod. Der Gegenspieler triumphiert und feiert mit seinem Gefolge.

Das Lied ist wie ein warmer Sommerwind auf einem weiten Feld. Die Sonne scheint dir mitten ins Gesicht. Du bist glücklich und könntes springen und die Welt umarmen vor Liebe.
Ein betrunkener turkelt die Straße entlang und sucht seinen Wohnungsschlüssel. Dabei erinnert er sich an einen Abend in einem verrauchten Jazzkeller.

Das absolut Böse spricht aus Dir und Deiner verzerrten elektrischen Gitarre. Alles sind schwarz gekleidet und der Rhythmus des Songs hämmert gnadenlos. Düster und kraftvoll klingt der Teppich auf dem der wütende Gesang zu hören ist.

Man muss sicherlich nicht gleich eine ganze Geschichte erzählen. Immerhin sollte der Musiker auch seinen Freiraum behalten, den er in der Improvisation assoziiert und in Musik umsetzt. Jedoch helfen bildhafte Vokabeln eine gemeinsame Vorstellung von der Musik zu bekommen. 

Strophe, Refrain, Riff, Lick....

Eine sich wiederholende Folge von Harmonien bzw. Akkorden, worauf eine Melodie gesungen werden kann, kann wie folgt benannt werden:

Turn Around, Schleife, musikalischer Teil/Part, Kadenz

Eine längere wieder erkennbare Melodielinie kann Thema oder Hookline genannt werden. Sie ist charakteristisch für den Song und macht meistens den Refrain aus.

Kleinere Melodielinien können Linie, Motiv, Lick oder Riff genannt werden. Meist sind dies wiederholte Teile, die in der Begleitung stecken. Eines der berühmtesten Riffs kennt man aus "Smoke on the water" von Deep Purple. Rockmusik arbeitet sehr viel mit Riffs. Ob im Bass oder in den Gitarren.

Strophe, Bridge und Refrain sind verschiedene musikalische Teile eines Liedes, die oft auch verschiedene Harmonien haben und sich daher von ein ander absetzen. Das muss aber nicht die Regel sein.

Musik in der Szene

Die Bildhaftigkeit in der Kommunikation bleibt auch hier ein guter Weg. Drei Beispiele für Musik in Szenen und ihre Bezeichung:

empathisch: Musik vermittelt Gefühle der Figuren/Szene
kontrapunktisch: Musik setzt Gegensatz zur Szene oder einzelnen Figuren
didaktisch: Musik suggeriert Distanz/Ironie
Mickey Mousing: Musik kommentiert, zeichnet und untermalt Handlungen/Figuren Comic-haft


Diese Auflistung ist sicher nicht vollständig und vielleicht benutzt Ihr andere Vokabeln. Gern könnt Ihr die Kommentarfunktion zum Ergänzen benutzen. Sie sollen anregen, miteinander über die Musik zu sprechen und konkreter werden zu können in Feedbacks oder Anweisungen. Das wichtigste am gemeinsamen Improvisieren ist und bleibt die Kommunikation. Redet miteinander über das Reden mit einander!



Literatur/Links:


http://de.wikipedia.org/wiki/Tempobezeichnungen#Gebr.C3.A4uchliche_Tempoangaben
http://www.bestmetronome.com
http://de.wikipedia.org/wiki/Hookline

http://members.chello.at/suntinger/pdf/Filmanalyse/Vokabular%20Filmanalyse.pdf
http://www.so-seidel.de/ANALYSE/formulierung.pdf

Montag, 3. Oktober 2011

Tiefkühlpizza oder Sterneküche - Der Mut zum Enttäuschen

Der Mensch kategorisiert gern. Auch in der Theorie wird Improvisation gern klassifiziert und in Schubladen gesteckt. Fülle ich nur einen Rahmen, erschaffe ich den Rahmen im Augenblick mit, bin ich wirklich völlig frei? Fritz Hauser schreibt in seinem Aufsatz "Fragen über Fragen" über Improvisation:

"Gold oder Sch... [...] das ist der Preis, den man dafür bezahlt, dass man sich nicht im tradierten Formen, fixierten Abläufen und vorgeschriebener Gestaltung verbündet." (S.31)

Als Improvisator wird einem oft nachgesagt, man ist ein Mensch des Risikos. Man riskiert etwas. Man riskiert, dass etwas schief gehen kann, nicht zündet, funktioniert. Aber was heißt das? Dem Publikum gerecht werden? Woher soll man wissen, was das Publikum erwartet? Klar, man kann sie fragen. Aber wo bleibt dann das Risiko? Ich möchte ja riskieren. Ich würde es jedoch anders formulieren:

Der Improvisateur hat im besten Fall Mut. Und mutig soll er seine im Moment entstehende Kunst einem Publikum präsentieren ohne Angst vor Enttäuschung. Der Mut zum Enttäuschen ist der Schlüssel zu einer freieren Improvisation.

Und doch sortiert man Improvisation in Kategorien. Der Mensch braucht diese Ordnung des eigentlich nicht Sortierbaren. Es gab schon viele Versuche, aber Hauser schafft es die Kategorien in einem alltäglichen Bild zu verdeutlichen: Kochen und Essen.

So erläutert er die unterschiedlichen Herangehensweisen an Stegreif-Kunst wie folgt:

  1. "Improvisation auf simpelster Stufe: Der Griff zur Fertigpizza. Damit ist zwar der Hunger gestillt, das Essvergnügen allerdings nicht hochrangig." 
  2. "Der Griff zur Fertigsauce, die dann durch leichte Manipulation (Gewürz, Kräuter, Rahm, Alkohol...) verfeinert wird. Ein immerhin schon ansatzweise kreativer Akt."
  3. "Herausfordernder dann die ungewürzte Sauce, die persönlicher Gestaltung bedarf. Zwar im Ansatz geschmacklich festgelegt, aber durchaus gestaltbar."
  4. "Einkauf der Zutaten und die Fertigung dieser Sauce nach eigenem Rezept."
  5. "Jetzt kommt die eigene Kreativität zum Zuge und es beginnt spannend zu werden: der Gang zum Markt ohne konkrete Kochidee, die Inspiration hervorgerufen durch das Angebot."
  6. "Dann die echte Herausforderung an spontane Kreativität: der Kühl- und Küchenschrankinhalt bestimmt die Ausgangslage, man improvisiert mit dem, was man vorfindet."
  7. "Als Höhepunkt die Freie Improvisation: Es klingtelt, die Gäste treffen ein, du hast die Einladung vergessen und den Einkauf verpasst, nichts ist da, außer einem riesigen Albtraumgefühl. Du bittest trotzdem frohgemut herein und erzählst der hungrigen Schar von Gerüchen und Geschmäckern, von knusprigen und sanften Konsistenzen, von Verbindungen und Ergänzungen. Du schwärmst von Speise- und Getränkefolgen, die sich hochschaukeln zum einmaligen Genuss und beschreibst die Glücksgefühle, die sich im Körper und in der Seele ausbreiten. Und wenn der Applaus sich gelegt hat, sind die Teller immer noch leer, aber die Erinnerung schön." (S. 32-33)
 Wo finden sich Improtheater, Langform und Theatersport wieder? Geben wir dem Publikum die Tiefkühlpizza oder die Vorstellung eines der besten Gängemenus, das sie in diesem Moment hätten erleben können? Wo lässt man sich einsortieren? Und reicht manchmal nicht einfach eine Fertigsauce aus, die ihren Zweck erfüllt?

Wollen wir also Spitzenkoch werden oder solide satt machen? Mache ich künstlerische Hausmannskost? Und wer bestimmt das überhaupt? Ich bin sehr zufrieden, wenn es geschmeckt hat und ich satt geworden bin. Aber ich lasse mich gern in die Welt der Sterneküche entführen und erzähle noch lange von dem herrlichen Menu, das mir geboten wurde. Schwierig wird es nur dann, wenn wir Instantgerichte anbieten, aber sie unter die silberne Glocke eines der nobelsten Restaurants der Stadt stecken. Man kann versuchen in die obersten Gourmetregionen vorzudringen. Aber man muss sich eingestehen, dass es manchmal nur zum Sattwerden gereicht hat. Solange man dies einschätzen kann, läuft man nicht Gefahr eine Mogelpackung anzubieten. Wir müssen uns eingestehen, dass man eben manchmal nicht aus Scheiße Gold machen konnte. Aber manchmal kann man aus wenig, wenigstens noch etwas mehr machen. Ob es Gold wird, kann man getrost dem Zuhörer überlassen. Doch diese Gelassenheit gilt es zu erreichen.

Guten Appetit! 

Literatur 


Donnerstag, 22. September 2011

Wohin gehen all' die guten Musiker?

Letzte Woche meinte ein Improspieler nach einem Auftritt zu mir: "Die ganzen guten Musiker verschwinden in letzter Zeit aus der Improszene." Ich dachte mir: "Schön, dass es mal jemanden auffällt." Und vor allem wäre es dann an der Zeit einmal darüber nachzudenken, woran das liegen könnte!

Es gibt verschiedene Gründe und einen Teufelskreis. Das Dilemma beginnt damit, dass die Bezahlung von Musikern in der Improszene, zumindest in Berlin, äußerst miserabel ist. Gagen von 30 Euro am Abend (Gesamtarbeitszeit ca. 4 Stunden und mehr) sind keine Ausnahme, sondern eher üblich. Nun könnte man meinen, die Damen und Herren der meisten Gruppen machen Improtheater ja auch als Hobby und verdienen sich damit ja auch nicht gerade eine goldene Nase. Im Gegensatz zu den meisten Improspielern leben jedoch die Musiker meist von ihrer Kunst oder versuchen es zumindest. Schnell kommt das Argument ins Spiel: "Du spielst für 30 Euro. Du hättest ja auch Nein sagen können." Richtig! Kann man auch. Aber in der Realität sieht es für die meisten Musiker dann doch so aus, dass sie auch 30 Euro gut gebrauchen können, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Für Künstler, die nicht von ihrer Kunst leben (wollen) sind 30 Euro mit Improtheater zu verdienen, ein guter Kurs. 30 Euro Abendgage haben sich in der Berliner Improszene als Musikergage durchgesetzt. Ich spiele seit gut vier Jahren Improtheater und höre diese Zahl nachwievor, auch von selbst ernannten Profigruppen. Ich habe relativ schnell, ungefähr nachdem ich mit dem Großteil der Berliner Gruppen gespielt habe, meine Gagenforderung angehoben. Zwar spiele ich nun weniger Improtheater, jedoch gehe ich zufriedener nach Hause. Damit habe ich aber auch eines klar gemacht: Ich bin mir etwas wert und das, was ich leiste ist auch etwas wert! Nämlich mehr als 30 Euro am Abend.

Es schleicht sich nämlich folgender Teufelskreis ein, bliebe man weiterhin bei so geringer Gage:

a) Eine Improgruppe kauft billig einen Musiker ein.

b) Für seine künstlerische Leistung erhält der Musiker eine zu geringe Gage

c) Da die geringe Gage nicht so sehr bei der Endabrechnung des Abends ins Gewicht fällt, wirkt die musikalische Leistung als nettes Extra, um Publikum zu ziehen, das aber auch weg rationalisiert werden könnte. Es geht ja um Improvisationstheaterspiel und die Schauspieler, nicht um den Musiker. ;)

d) Der Musiker erfährt wenig Beachtung.

e) Der Musiker beginnt frustriert und belanglos zu klimpern (!), um um Aufmerksamkeit zu ringen.

f) Das belanglose Geklimper des Musikers wird von den Spielern genau so wahrgenommen, oder eben überhaupt nicht.

g) "Warum sollten wir als Improgruppe mehr Gage für das Geklimpere des Musikers ausgeben?"

Ergo: Die Gage und die Qualität kann nicht verbessert werden, da es ein Teufelskreis der Demotivation und Nicht-Achtung ist.

Zu c) In der Realität sieht es so aus, dass die meisten Improgruppen einen Musiker haben müssen, weil fast alle einen haben. Es wäre ein Manko keinen zu haben.

Zu d) Wenig Gruppen haben ein Gespür dafür, was der Musiker schon bereits in Szenen leistet und wie er maßgeblich die Qualität beeinflussen kann. Er ist nicht nur für ein, zwei Songs gut.

Zu e) Das "Klimpern" ist leider weit verbreitet. Gemeint ist vor allem das Mickey-Mousing, Illustrieren von Aktionen, Kommentieren von Gesagtem, Zukleistern mit Klangteppichen, gern im "Stummfilm-Stil". Auch wenn es nicht sofort wahrgenommen wird, ist es eine Form von "Hallo, ich bin auch noch da und ich renne euch ständig hinterher." Der Musiker wird also zum Kommentator degradiert und ist kein aktiver, gleichberechtiger Mitspieler.

Zu f) Eine passende Bestätigung ist das häufig gehörte Feedback nach Auftritten: "Schöne Musik!" Wieder ein Beispiel, dass nur konkretes Feedback gutes Feedback ist. Alles andere kann man sich gleich sparen.

Zu g) Ja, warum eigentlich? Würde ich auch nicht machen für ein bisschen Geklimper Geld auszugeben.

Alles in allem ein großes Dilemma, an dem nur die Gruppen und die Musiker gemeinsam etwas ändern können. Ich habe schon öfter darüber geschrieben, dass Gruppen ihren Musiker nicht oder nur zu wenig einbeziehen. Das ist jedoch für das Spiel und die Qualität wichtig. Denn nur jemand, der sich einem Team mit dem nötigen Teil an Verantwortung gegenüber der Mannschaftsleistung zugehörig fühlt, wird eine gute künstlerische Gemeinschaftsleistung abliefern und frei für wahrhaftige Improvisation sein können. Schenkt den Musikern mehr Beachtung und vor allem eine angemessene Gage. Von 30 Euro am Abend kann wirklich niemand zufrieden und gut leben! Redet mit dem Musiker darüber. Es wird sich eine Gage finden lassen, die trotzdem einen Auftritt mit Musiker ermöglicht. Falls nicht: Vielleicht ist ein Auftritt ohne Musiker besser, als einer mit einem demotivierten klimpernden Musiker.

Als Musiker kann ich nur dazu raten, die Gagen anzuheben. Spielt man zu lange für solch geringe Gagen, spricht es sich schneller rum, als Eure Qualitäten am Instrument. Vertraut auf das, was Ihr könnt! Es ist in jedem Fall mehr wert als eine Dumpinggage. Ihr werdet merken, dass Ihr zufriedener werdet, lieber weniger besser bezahlte Auftritte zu spielen, als schlecht bezahlte, wo man sich ärgernd am Instrument sitzt. Nur so könnt Ihr langfristig für bessere Gagen spielen. Eure Zufriedenheit wird sich auf Eure Ausstrahlung und Euer Spiel auswirken. Sprecht mit Musikerkollegen über das Thema "Gage und Zufriedenheit". Das muss nicht zu Preisabsprachen führen, aber unterstützt einen gemeinsames Ethos, dass der Leistungen der Musiker mehr entspricht. Wir wollen alle gern von unserer Kunst leben! Das geht nur mit qualitativen Gagen. Sprecht innerhalb der Improgruppen darüber, welche Rolle die Musik spielen soll. Trainiert mit den Gruppen und gebt eventuell Workshops. Auch diese müssen nicht Gagen frei gegeben werden. Die Improgruppen profitieren sehr von den Fertigkeiten, die wir Musiker aus unserer Praxis mitbringen. Teilt Euer Wissen!

... und hört endlich auf zu klimpern! 




Sonntag, 21. August 2011

Improtheater Wildcard Turnier in Berlin


Theatersport Berlin und Die Gorillas veranstalten vom 26.09.-02.10.2011 den 1. Theatersport-Cup in Berlin. In diesem Wettbewerb improvisieren sieben Mannschaften aus Deutschland, Schweiz und Österreich um die Wette und ein Platz ist noch frei.

Um die Wildcard für diesen freien Platz wollen sich elf Berliner Improgruppen ins Zeug legen. Am 26.8. startet dafür das Impro-Wildcard-Turnier, organisiert von
Impro-News.de
. Wie beim Theatersport üblich, entscheidet das Publikum über Sieg und Niederlage.

Spielplan und weitere Infos gibt es unter
impro-news.de/iwt

Improvisationstheater - Ein Podcast






Auf frequenz9.de veröffentliche ich gemeinsam mit Georg Weisfeld und Thomas Jäkel seit einiger Zeit Podcasts zu verschiedenen Themen. Neben dem Gesprächspodcast FrequenzKultur veröffentlichen wir nun zwei wöchentlich die FrequenzImpro. In den jeweils etwa 20 minütigen Podcastfolgen sprechen wir über die Improvisationspraxis im Theater - quasi ein How to von Allgemeindefinition bis zur praktischen Anwendung à la "Wie spiele ich eine Szene". Für alle Improtheater Begeisterte und welche, die es werden wollen.

Links

FrequenzImpro - Folge 1 "Was ist Improvisation"

frequenz9 - Podcasts

Samstag, 20. August 2011

Abgedroschen, aber wahr...

Abgedroschen, aber wahr ist, dass in der Improvisation, sei sie musikalisch oder im Schauspiel der Weg das Ziel ist. Es ist spannend zu sehen, was sich wie aufbaut, um letztlich wieder zu enden oder gebrochen zu werden. Ist man von Anfang an zu sehr auf das Ziel fixiert, verliert man die Details und den Spaß des Weges aus den Augen. Ich erzähle eine Geschichte des Erzählens wegen oder des Happy Ends wegen? Da das Ende oft vorhersehbar ist, weil man das Ziel schon bereits am Anfang definiert hat, wird der Weg dahin das notwenige Übel. Also heißt: Lass' dir Zeit beim Beginn, finde die innere und äußere Ruhe für den Beginn und den folgenden Weg der Improvisation.

Ich beginne bei längeren musikalischen Improvisationen nie mit vielen Tönen oder Harmonien, weil es spannender ist, was aus weniger Tönen zu einem großen Ganzen wachsen kann. Selbst wenn das Große dann nicht sehr groß ist. Vielleicht genügt etwas Kleines.

Beim Improtheater muss nach dem berühmten Herunterzählen von fünf auf Los nicht sofort etwas passieren. Wieso muss dann sofort ein Spieler auf der Bühne stehen und womöglich auch noch direkt mit Sprechen beginnen. Warum? Auch muss der Musiker nicht mit Szenenmusik oder gar einen dahin geklimmperten Intro beginnen, wie es so oft leider der Fall ist. Man darf sich bewusst für das Gegenteil entscheiden!

Und damit sind wir am Punkt: Du hast eine Wahl und nicht nur irgendeine. Du hast deine persönliche Wahl in der Improvisation, was passieren soll. Also halte den Moment des bedachten Anfangs aus und poltere nicht gleich mit allem, was du hast, los. Alles baut auf einander auf und das darf man ruhig sehen. Diesen Aufbau kann man natürlich variieren, aber man sollte Spaß am Aufbau haben und in Mustern verweilen können, die einem persönlich oder dem Publikum gefallen. Immer unter der alten Prämisse: Der Weg, also das Machen an sich, ist das Ziel. Dann kommt das Ziel sowieso von ganz automatisch. Immerhin gibt es in der Musik auch keinen Endton, den alle Instrumente am Ende erreichen, sondern es sind verschiedene Kontrapunkte und dadurch entstehende Spannungsverhältnisse, die alles interessant werden lassen.

Freitag, 19. August 2011

Spiele was war, spiele was wahr ist - Der Versuch der Improvisation abstrakt zu begegnen

Natürlich wollen wir in der Improvisationskunst etwas Neues schaffen. Nur worauf greifen wir denn eigentlich zurück? Meistens auf das, was in unserem Gedächtnis gespeichert ist. Sei es als konkrete Erinnerung, sei es als Fähigkeit, die wir erlernt haben. Sozusagen die Technik etwas zu tun. Den Rückgriff auf das, was ich erlebt und erfahren habe, vollziehe ich jedes Mal beim Improvisieren. Ob nun im Improvisationstheater oder in der improvisierten Musik. Ich betrachte beide Improvisationsformen parallel, auch wenn sie sich nicht immer der gleichen Mittel bedienen.

So sehe ich auch die Parallele bei der Reminiszenz. Die Kunst aus dem Moment heraus, etwas Neues zu schaffen besteht zum großen Teil daraus, aus dem was war, eine Wahrheit zu erkennen. Denn nur, was für mich war, ist für mich wahr. Es ist passiert, ich weiß und glaube, dass es passiert ist. Daraus konstruiere ich meine Realität, wenn man dem Konstruktivismus Glauben schenken möchte. Was bedeutet dies nun für die Improvisation?

Während einer Improvisation erweitern wir unsere Realität. Die Zuschauer ergänzen sich ihre persönliche ebenfalls und individuell. Oft genug versuchen wir dabei eine Realität zu erschaffen, die zwar auf Erlebten basiert, aber doch meist nur im Sinne eines Klischees überhöht wird. Warum nicht Wahrhaftiges spielen? Warum nur Dinge auf der Bühne, wie gewünscht darstellen und nicht, wie sie waren?

Warum nur die Klischees nachspielen?

Ein Beispiel: In einer Bäckerei traf ich auf eine freundliche Verkäuferin, die mich begrüßte, meinen Wunsch entgegen nahm, mich bediente, abkassierte und verabschiedete. Ich entgegnete ihr das Übliche. Wenn man so will das Klischee. Was ist an dieser Szene kein Klischee, sondern wahrhaftig für mich? Merkwürdig, des Merkens würdig? Einerseits die Struktur: Zwei Personen, ein Dialog, Floskeln, Handlung, Größe des Raums, Angebot, Farben etc. Des Weiteren der Inhalt: Worte, Dialog, Emotion, Körpersprache, die wiederum eine andere innere Struktur besitzen.

Für meine spätere Improvisation kann das bedeuten, dass ich genau diese Szene so spiele bzw. in musikalische vorhersehbare Klischeebilder umsetze. Damit spiele ich gefällig gegenüber dem Publikum. Keine Schande. Aber wie wäre es aus dieser eigenen Wahrhaftigkeit nur einen Teil in seine Improvisation zu übernehmen? Die Dialoge, die reine Emotion oder die Struktur des Raumes. Aber warum nur die Klischees nachspielen? Warum nicht mit seiner Erinnerung spielerisch umgehen und sie als Inspiration für die jetzige Improvisation nutzen?

Eine Analogie zur Musik: Im Laufe der Klavierausbildung spielt man diverse Werke von Komponisten. Auch das gehört für mich zur Improvisation dazu. Denn es schult das Handwerk. Aber es schult auch das Gedächtnis. Zitate sind auch in der improvisierten Musik, bereits in der frühen Musik, einstweilen im Jazz, schon immer en vogue gewesen. Aber was kann ich von einer kleinen klassischen Sonatine für meine spätere Improvisation als Inspiration nutzen? Den Aufbau mit Einleitung, Thema, Verarbeitung, spielerisches Umgehen mit Technik. Vielleicht aber das Gefühl in neue Musik umsetzen, dass mich befällt, wenn ich an die erste Stunde mit diesem Stück denke. Vielleicht eine kurze Phrase, die Ausgangspunkt für eine neue Verarbeitung ist mit all’ der spielerischen Erfahrung, die ich in den letzten Jahren hinzu gewonnen habe. Nicht nur die Lust am Klischee und am Zitat verbirgt sich hinter der Reminiszenz, sondern auch Strukturen, die ich erinnere. Nicht nur technische Struktur, sondern Bilder, Farben, Menschen im Umfeld, ein bestimmter Tag, Moment oder Satz eines Menschen. Das, was für mich in Verbindung mit diesem Moment war und wahr ist.
Persönliche Wahrhaftigkeit erreichen und dennoch das Publikum im weitesten Sinne zu unterhalten.

Es geht um ein erneutes Er-Leben. Nicht nur nachspielen, sondern natürlich das Ergänzen mit Wünschen. Wie hätte die Situation auch sein können, positiv wie negativ? Verrate diese Erinnerung nicht für einen kurzen Lacher aus dem Publikum oder für ein gefälliges Spiel. Im Zusammenspiel mit anderen Improvisateuren besteht die Kunst darin, neue Impulse zulassen zu können, ohne auf seine eigene Erinnerung zu bestehen. Impulse annehmen als Angebot, seine eigene Geschichte verändern lassen. Der Rückgriff auf Erinnerungen ist wahrlich beeinflusst durch die Rückkoppelungs- und Beeinflussungseffekte des Publikums. Daher scheinen wohl auch meist die Lieder beim Soundcheck vor einer Show qualitativ besser. Obwohl das immer wieder ein Sreitpunkt ist in der Diskussion über Improvisation.

Ein entscheidender Faktor für mich ist Zeit. Wenn Publikum bei meiner Improvisation anwesend ist, fühle ich mich oft unter Druck gesetzt. Ich habe nicht die innere Ruhe und Zeit, mich auf das zu besinnen, was ich wirklich sagen will. Dieser Stress zwingt mich leider noch oft genug dazu, so zu spielen, wie ich es nicht will. Diese, von mir eher als negativ empfundene Rückkoppelung abzumildern oder vielleicht gänzlich ausschalten zu können, ist mein persönliches Ziel in der Improvisation: Persönliche Wahrhaftigkeit erreichen und dennoch das Publikum im weitesten Sinne zu unterhalten. Ohne die Rückkoppelung des Publikums sind wir eher befähigt in den „Flow“ zu kommen. Jenen Zustand, der als zeit- und ortslos empfunden wird. Als Punkt der völligen inneren Zufriedenheit. Das wird immer die größte Herausforderung für einen Improvisateur bleiben.

Dennoch lohnt es sich aus Erinnerungen zu schöpfen und sie für die Improvisation zu nutzen. Auch wenn sie oft geschönt in unserem Kopf gespeichert werden. Vielleicht ist es eben genau diese Veränderung, die ein Rückgriff auf unsere Erlebnisse ein Wieder-Leben oder wieder Er-Leben so spannend machen kann. Nicht nur für uns selbst, sondern auch für ein Publikum, dass andere Facetten unseres Lebens erfahren kann, die gemischt sind mit Erfahrungen, die wir nach dem erinnerten Erlebnis das Bild dessen ergänzt und verändert haben. Ohne das Spannungsfeld zwischen eigener Wahrhaftigkeit, Flow und Rückkoppelung durch das Publikum, das dennoch unterhalten werden soll, würde Improvisation zu einer egoistischen Selbstbefriedigung werden. Dafür bräuchte ich noch nicht einmal diesen Artikel veröffentlichen.

Dieser Artikel wurde bereits am 20.06. 2011 bei impro-news.de veröffentlicht.

Trainieren mit dem Musiker

Man mag für Improtheater ungern den Begriff “Probe” verwenden. Die meisten Spieler sprechen von Training. Sonst klingt alles so nach einstudieren und zu festen Strukturen. Aber halt! Wenn man mit dem Musiker trainiert, ist es durchaus eine Probe. Je nachdem, welche Auffassung man von der Rolle der Musik im Improtheater hat. Man kann feste Liedstrukturen, wie das allseits beliebte Strophe-Strophe-Refrain-Strophe-Refrain-Schema proben. Die Struktur ist ja in fast allen Ensembles fest und die gleiche. Manche trauen sich sogar eine Bridge zu, also einen weiteren musikalischen Teil. Leider kleben dennoch zu viele an diesem Schema, statt auch bei Auftritten seiner musikalischen Inspiration freien Lauf zu lassen. Das Ergebnis ist zwar ein Lied in fester Form, das aber oft langweilig ist. Ist der Spieler auch noch nicht ganz sattelfest im Singen, kann man nur darauf hoffen, dass das Publikum wenigstens schon davon begeistert ist, dass man überhaupt mit Musik improvisiert.

Der Weg ist auch hier manchmal das Ziel.

Wie kann also eine Probe mit dem Musiker aussehen? Man versuche neue Formen zu finden. Inspirierende Formen, die offen genug sind, dass sie auch dem Musiker Spaß machen und die Möglichkeit geben die Impro einfach fließen zu lassen. Im Idealfall zu einer Art Refrain, einem Teil, der so gut gelungen und schön ist, dass man ihn am liebsten ewig wiederholten möchte. Das ist für das Publikum auch spannend! Der Weg ist auch hier manchmal das Ziel. Es ist spannend zu sehen und zu hören, wie sich ein Song entwickelt und zu einem schönen Höhepunkt gelangt. Das feiert das Publikum oft mehr, als eine feste Strophen-Refrain-Form. Das ist die Magie der Improvisation. Der Rest ist Abrufen von Strukturen. Wenn der Musiker dann auch noch beliebte Harmoniefolgen abruft, wird das Ganze nur langweilig. Auch hier kann man sich gegenseitig überraschen.

Außerdem ist es möglich verschiedene musikalische Genres auf typische musikalische Parameter zu untersuchen und gemeinsam auszuprobieren. Vielleicht gibt es eine bestimmte Art zu singen, wie in orientalischen Stilen. Oder es gibt einen prägnanten Rhythmus, den man erst einmal gemeinsam fühlen muss. Außerdem ist es gerade im Training möglich, die Informationsebene in Songs völlig auszuschalten und in Gromolo bzw. Kauderwelsch wunderschöne Laute zu formen und eine Kunstsprache zu singen. Dabei kann man sich dann ganz auf die Melodie oder den Rhythmus konzentrieren. Erwartet nur bitte nicht, dass der Musiker die Jukebox ist, wo man nur auf Start drückt und los geht’s. Gebt ihm auch die Möglichkeit sich auszuprobieren. Er ist nicht nur Grundlage, auf der ihr singt, sondern improvisiert mit Euch zusammen! Das Scheitern gehört auch hier dazu. Ungewöhnliche Harmoniefolgen sind kein Fehler, sondern vielleicht der mutige Versuch, mal etwas Neues zu machen. Lasst Euch darauf ein. Es ist oft spannender, als die beliebten Popmusik-Akkorde.

Außerdem habt Ihr im Training die Möglichkeit musikalische Stimmungen auf Euch wirken zu lassen, ohne gleich eine Szene zu spielen. Auch ein Imaginieren kann hilfreich sein für spätere Spielsituationen. Erzählt Euch von Euren Bildern, die im Kopf entstehen, wenn der Musiker verschiedenes ausprobiert. Die Betonung liegt auf Ausprobieren und nicht Abrufen! Auch als Musiker unterliegt man oft genug der Falle, immer wieder auf Bekanntes und Sicheres zurückzugreifen. Das Klavier hat nicht nur Tasten, sondern auch Saiten. Und im Grunde kann man mit diesem Holzschrank auch andere Geräusche hervorrufen oder sogar trommeln. Ob auf den Tasten oder auf dem Deckel. Alles trägt zu den Bildern im Kopf bei.
Bezahlt ihn!

Bei meinem letzten Workshop wurde ich gefragt, wie man Musiker dazu bringt, mit Improgruppen zu trainieren und aufzutreten. Es gibt kurze Antworten dazu:

1. Seid als Improgruppe inspirierend für den Musiker und gebt ihm das Gefühl des gemeinsamen Improvisierens.

2. Tretet auf und gebt ihn bei Auftritten seine Freiheiten.

3. Bezahlt ihn!


Auch wenn Geld der schlechtere Motivator ist, manchmal hilft es einen Musiker zu finden, wenn schon die intrinsische Motivation nicht funktioniert. Vor allem Amateurgruppen, die Improtheater als Hobby betreiben, scheuen sich davor den Musiker zu bezahlen. Denkt daran, dass der Musiker wahrscheinlich viele Jahre in seine Ausbildung investiert hat. Nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Und überprüft, ob ihr auch soviel in Eure Ausbildung zum Improspieler getan habt. Wenn Euch das Argument der Bezahlung abschreckt von der Musik beim Improtheater bleibt Euch immer noch der große Bereich des A-Capella-Singens. Aber auch dafür müsstest Ihr mindestens ein Mal den Musiker bezahlen, der Euch dafür den Workshop gibt.

Dieser Artikel wurde von mir bereits am 27.12.2010 auf impro-news.de veröffentlicht.