Samstag, 8. Oktober 2011

Vokabeltraining - Kommunikation zwischen Improspieler und Musiker

Laut Systemtheorie existieren soziale Systeme nur durch Kommunikation. Heißt: Wer nicht mit einander spricht, ob verbal oder nonverbal, hat keine Beziehung zu einander. Sicherlich etwas herunter gebrochen, doch ganz brauchbar im Ansatz. Probleme in einer zwischenmenschlichen Beziehung entstehen in den meisten Fällen auf Grund fehlender oder mangelhafter Kommunikation der Beteiligten. Und selbst, wenn miteinander gesprochen wird, heißt es noch lange nicht, dass das Gegenüber versteht, was gesagt wurde. Wichtig ist dabei eine gemeinsame Sprache zu sprechen oder sich auf ein gemeinsames Vokabular zu einigen.

In der Kommunikation zwischen Improspielern und Musikern herrscht oft eine Schieflage, weil Improspieler eben nicht die Vokabeln der Musik kennen. Daher rühren auch Aussagen, wie "schöne Musik", die so unkonkret sind, dass sie schon fast beleidigen, obwohl gut gemeint. Ich möchte eine kleine Hilfe geben, welche Vokabeln für den Improspieler hilfreich sind, um auszudrücken, was sie von ihrem Musiker wollen. Diese Beschreibungshilfen kommen zum Großteil aus der Musikanalyse oder Spielanweisungen und betreffen vor allem Tempobezeichnungen, Charakter und Artikulation. Für viele schon in der Schule ein Graus, bedient sich die Musikanalyse jedoch einem einfachen Mittel: der Metapher. Viele musikalische Zusammenhänge werden nicht nur mit Fachtermini erläutert, sondern gerade in der Musikwirkung verwendet man Bilder. Ich werde versuchen neben Fachbegriffen auch Anregungen für Bilder zu geben, die eine Kommunikation zwischen Improspielern und Musikern vereinfachen können. Jedoch bleibt es immer dem sozialen System überlassen, welche Sprache gemeinsam gesprochen wird. Daher ist es immer hilfreich gemeinsame Vokabeln zu entwickeln. Die erhöhen letztlich auch das Zusammengehörigkeitsgefühl.

Tempo - Tempobezeichungen

In der klassischen Musik gibt es italienische Begriffe für Tempoangaben. Da dies nicht sehr praktikabel ist für Nicht-Musiker, gebe ich Anregungen in deutscher Sprache. Man sieht sehr gut, wie bildhaft das sein kann. Die Auflistung beginnt bei einem langsamen Tempo und steigert sich zu einem schnellen

breit, schwer, langsam, ruhig, gehend, schreitend, mäßig, schnell, munter, lebhaft, lebendig, sehr schnell, äußerst schnell. rasend, rasant

Ergänzend gibt es Charakterbezeichnungen, die auf das Tempo bezogen werden können:

lethargisch, phlegmatisch, lieblich, gesanglich, getragen, geistvoll, mit Ausdruck, mit Pathos, majestätisch, marschierend, zart, mit Liebe, heiter, schwungvoll, feurig, mit Leidenschaft, fröhlich, hektisch, hysterisch

In der moderneren Musik wird das Tempo nicht mehr mit italienischen Begriffen angegeben. Man führte die "Schläge pro Minute" bzw. "Beats per minute", abgekürzt bpm, ein. Während die althergebrachten Tempoangaben eher Gefühlssache und analog daher kommen, ist die Zahl der bpm eine digitale Variante. Auch wenn niemand ohne Metronom in der Lage sein dürfte, exakt 127 bpm zu spielen, so ist eine Zahl dennoch hilfreich, wenn man keine der oben genannten Begriffe verwenden möchte. Ich lasse mir in Improvisationen auch gern vom Publikum eine Zahl zwischen 60 und 150 geben und meine damit bpm, ohne dass ich dies vor der Abfrage erkläre. Ich treffe dann zwar auch nicht die 78 bpm, jedoch weiß ich, dass es ein langsames Stück wird.

Wie also mit bpm umgehen?

Auf der Website http://a.bestmetronome.com/ gibt es eine Online-Variante eines Taktgebers. Zu hören sind die Grundschläge des Rhythmus, das Metrum. In einem Techno-Rhythmus ist das Metrum durch die Bass-Drum hörbar gemacht und verstärkt.

Probiert aus, welche Zahlen welches Tempo bedeuten. In einem Keyboard oder elektronischen Piano ist meist ein Metronom eingebaut.


Beispiele:


Liebesballade: ca. 60-90 bpm
ruhiger Bossa Nova: ca. 105-115 bpm
tanzbares Lied: ca. 120-130 bpm
schneller Rocksong: ca. 140-160 bpm
schneller Swing, Bepop: ca. 160-220 bpm


Jede Musik hat ihren Charakter, jede Musik macht Bilder im Kopf.

Wenn es nicht nur um das Tempo eines Liedes gehen soll, bedient Euch dessen, was Ihr als Improspieler ständig tut: Assoziationen. Sie sind Bilder in unserem Kopf. Was stellt Ihr Euch vor, wenn es ein getragener, langsamer Song werden soll? Beschreibt das Bild mit Euren eigenen Worten und lasst das Bild vom Musiker mit seinen Worten ergänzen, um heraus zu finden, ob er verstanden hat, was Du meinst. Malt zusammen das Bild aus. Es wird ja auch ein gemeinsamer Song, Eure gemeinsame Improvisation, also auch Eure gemeinsame Assoziation, in die jeder seine mit dazu tut. Stellt Vergleiche an!

Beispiele

Die Strophe ist wie ein alter König, der auf seinem Thron sitzt und gütig auf sein Volk schaut. Im Refrain versucht sein Gegenspieler ihn zu vergiften. Am Ende stirbt der König einen langen qualvollen Tod. Der Gegenspieler triumphiert und feiert mit seinem Gefolge.

Das Lied ist wie ein warmer Sommerwind auf einem weiten Feld. Die Sonne scheint dir mitten ins Gesicht. Du bist glücklich und könntes springen und die Welt umarmen vor Liebe.
Ein betrunkener turkelt die Straße entlang und sucht seinen Wohnungsschlüssel. Dabei erinnert er sich an einen Abend in einem verrauchten Jazzkeller.

Das absolut Böse spricht aus Dir und Deiner verzerrten elektrischen Gitarre. Alles sind schwarz gekleidet und der Rhythmus des Songs hämmert gnadenlos. Düster und kraftvoll klingt der Teppich auf dem der wütende Gesang zu hören ist.

Man muss sicherlich nicht gleich eine ganze Geschichte erzählen. Immerhin sollte der Musiker auch seinen Freiraum behalten, den er in der Improvisation assoziiert und in Musik umsetzt. Jedoch helfen bildhafte Vokabeln eine gemeinsame Vorstellung von der Musik zu bekommen. 

Strophe, Refrain, Riff, Lick....

Eine sich wiederholende Folge von Harmonien bzw. Akkorden, worauf eine Melodie gesungen werden kann, kann wie folgt benannt werden:

Turn Around, Schleife, musikalischer Teil/Part, Kadenz

Eine längere wieder erkennbare Melodielinie kann Thema oder Hookline genannt werden. Sie ist charakteristisch für den Song und macht meistens den Refrain aus.

Kleinere Melodielinien können Linie, Motiv, Lick oder Riff genannt werden. Meist sind dies wiederholte Teile, die in der Begleitung stecken. Eines der berühmtesten Riffs kennt man aus "Smoke on the water" von Deep Purple. Rockmusik arbeitet sehr viel mit Riffs. Ob im Bass oder in den Gitarren.

Strophe, Bridge und Refrain sind verschiedene musikalische Teile eines Liedes, die oft auch verschiedene Harmonien haben und sich daher von ein ander absetzen. Das muss aber nicht die Regel sein.

Musik in der Szene

Die Bildhaftigkeit in der Kommunikation bleibt auch hier ein guter Weg. Drei Beispiele für Musik in Szenen und ihre Bezeichung:

empathisch: Musik vermittelt Gefühle der Figuren/Szene
kontrapunktisch: Musik setzt Gegensatz zur Szene oder einzelnen Figuren
didaktisch: Musik suggeriert Distanz/Ironie
Mickey Mousing: Musik kommentiert, zeichnet und untermalt Handlungen/Figuren Comic-haft


Diese Auflistung ist sicher nicht vollständig und vielleicht benutzt Ihr andere Vokabeln. Gern könnt Ihr die Kommentarfunktion zum Ergänzen benutzen. Sie sollen anregen, miteinander über die Musik zu sprechen und konkreter werden zu können in Feedbacks oder Anweisungen. Das wichtigste am gemeinsamen Improvisieren ist und bleibt die Kommunikation. Redet miteinander über das Reden mit einander!



Literatur/Links:


http://de.wikipedia.org/wiki/Tempobezeichnungen#Gebr.C3.A4uchliche_Tempoangaben
http://www.bestmetronome.com
http://de.wikipedia.org/wiki/Hookline

http://members.chello.at/suntinger/pdf/Filmanalyse/Vokabular%20Filmanalyse.pdf
http://www.so-seidel.de/ANALYSE/formulierung.pdf

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