Sonntag, 21. August 2011

Improtheater Wildcard Turnier in Berlin


Theatersport Berlin und Die Gorillas veranstalten vom 26.09.-02.10.2011 den 1. Theatersport-Cup in Berlin. In diesem Wettbewerb improvisieren sieben Mannschaften aus Deutschland, Schweiz und Österreich um die Wette und ein Platz ist noch frei.

Um die Wildcard für diesen freien Platz wollen sich elf Berliner Improgruppen ins Zeug legen. Am 26.8. startet dafür das Impro-Wildcard-Turnier, organisiert von
Impro-News.de
. Wie beim Theatersport üblich, entscheidet das Publikum über Sieg und Niederlage.

Spielplan und weitere Infos gibt es unter
impro-news.de/iwt

Improvisationstheater - Ein Podcast






Auf frequenz9.de veröffentliche ich gemeinsam mit Georg Weisfeld und Thomas Jäkel seit einiger Zeit Podcasts zu verschiedenen Themen. Neben dem Gesprächspodcast FrequenzKultur veröffentlichen wir nun zwei wöchentlich die FrequenzImpro. In den jeweils etwa 20 minütigen Podcastfolgen sprechen wir über die Improvisationspraxis im Theater - quasi ein How to von Allgemeindefinition bis zur praktischen Anwendung à la "Wie spiele ich eine Szene". Für alle Improtheater Begeisterte und welche, die es werden wollen.

Links

FrequenzImpro - Folge 1 "Was ist Improvisation"

frequenz9 - Podcasts

Samstag, 20. August 2011

Abgedroschen, aber wahr...

Abgedroschen, aber wahr ist, dass in der Improvisation, sei sie musikalisch oder im Schauspiel der Weg das Ziel ist. Es ist spannend zu sehen, was sich wie aufbaut, um letztlich wieder zu enden oder gebrochen zu werden. Ist man von Anfang an zu sehr auf das Ziel fixiert, verliert man die Details und den Spaß des Weges aus den Augen. Ich erzähle eine Geschichte des Erzählens wegen oder des Happy Ends wegen? Da das Ende oft vorhersehbar ist, weil man das Ziel schon bereits am Anfang definiert hat, wird der Weg dahin das notwenige Übel. Also heißt: Lass' dir Zeit beim Beginn, finde die innere und äußere Ruhe für den Beginn und den folgenden Weg der Improvisation.

Ich beginne bei längeren musikalischen Improvisationen nie mit vielen Tönen oder Harmonien, weil es spannender ist, was aus weniger Tönen zu einem großen Ganzen wachsen kann. Selbst wenn das Große dann nicht sehr groß ist. Vielleicht genügt etwas Kleines.

Beim Improtheater muss nach dem berühmten Herunterzählen von fünf auf Los nicht sofort etwas passieren. Wieso muss dann sofort ein Spieler auf der Bühne stehen und womöglich auch noch direkt mit Sprechen beginnen. Warum? Auch muss der Musiker nicht mit Szenenmusik oder gar einen dahin geklimmperten Intro beginnen, wie es so oft leider der Fall ist. Man darf sich bewusst für das Gegenteil entscheiden!

Und damit sind wir am Punkt: Du hast eine Wahl und nicht nur irgendeine. Du hast deine persönliche Wahl in der Improvisation, was passieren soll. Also halte den Moment des bedachten Anfangs aus und poltere nicht gleich mit allem, was du hast, los. Alles baut auf einander auf und das darf man ruhig sehen. Diesen Aufbau kann man natürlich variieren, aber man sollte Spaß am Aufbau haben und in Mustern verweilen können, die einem persönlich oder dem Publikum gefallen. Immer unter der alten Prämisse: Der Weg, also das Machen an sich, ist das Ziel. Dann kommt das Ziel sowieso von ganz automatisch. Immerhin gibt es in der Musik auch keinen Endton, den alle Instrumente am Ende erreichen, sondern es sind verschiedene Kontrapunkte und dadurch entstehende Spannungsverhältnisse, die alles interessant werden lassen.

Freitag, 19. August 2011

Spiele was war, spiele was wahr ist - Der Versuch der Improvisation abstrakt zu begegnen

Natürlich wollen wir in der Improvisationskunst etwas Neues schaffen. Nur worauf greifen wir denn eigentlich zurück? Meistens auf das, was in unserem Gedächtnis gespeichert ist. Sei es als konkrete Erinnerung, sei es als Fähigkeit, die wir erlernt haben. Sozusagen die Technik etwas zu tun. Den Rückgriff auf das, was ich erlebt und erfahren habe, vollziehe ich jedes Mal beim Improvisieren. Ob nun im Improvisationstheater oder in der improvisierten Musik. Ich betrachte beide Improvisationsformen parallel, auch wenn sie sich nicht immer der gleichen Mittel bedienen.

So sehe ich auch die Parallele bei der Reminiszenz. Die Kunst aus dem Moment heraus, etwas Neues zu schaffen besteht zum großen Teil daraus, aus dem was war, eine Wahrheit zu erkennen. Denn nur, was für mich war, ist für mich wahr. Es ist passiert, ich weiß und glaube, dass es passiert ist. Daraus konstruiere ich meine Realität, wenn man dem Konstruktivismus Glauben schenken möchte. Was bedeutet dies nun für die Improvisation?

Während einer Improvisation erweitern wir unsere Realität. Die Zuschauer ergänzen sich ihre persönliche ebenfalls und individuell. Oft genug versuchen wir dabei eine Realität zu erschaffen, die zwar auf Erlebten basiert, aber doch meist nur im Sinne eines Klischees überhöht wird. Warum nicht Wahrhaftiges spielen? Warum nur Dinge auf der Bühne, wie gewünscht darstellen und nicht, wie sie waren?

Warum nur die Klischees nachspielen?

Ein Beispiel: In einer Bäckerei traf ich auf eine freundliche Verkäuferin, die mich begrüßte, meinen Wunsch entgegen nahm, mich bediente, abkassierte und verabschiedete. Ich entgegnete ihr das Übliche. Wenn man so will das Klischee. Was ist an dieser Szene kein Klischee, sondern wahrhaftig für mich? Merkwürdig, des Merkens würdig? Einerseits die Struktur: Zwei Personen, ein Dialog, Floskeln, Handlung, Größe des Raums, Angebot, Farben etc. Des Weiteren der Inhalt: Worte, Dialog, Emotion, Körpersprache, die wiederum eine andere innere Struktur besitzen.

Für meine spätere Improvisation kann das bedeuten, dass ich genau diese Szene so spiele bzw. in musikalische vorhersehbare Klischeebilder umsetze. Damit spiele ich gefällig gegenüber dem Publikum. Keine Schande. Aber wie wäre es aus dieser eigenen Wahrhaftigkeit nur einen Teil in seine Improvisation zu übernehmen? Die Dialoge, die reine Emotion oder die Struktur des Raumes. Aber warum nur die Klischees nachspielen? Warum nicht mit seiner Erinnerung spielerisch umgehen und sie als Inspiration für die jetzige Improvisation nutzen?

Eine Analogie zur Musik: Im Laufe der Klavierausbildung spielt man diverse Werke von Komponisten. Auch das gehört für mich zur Improvisation dazu. Denn es schult das Handwerk. Aber es schult auch das Gedächtnis. Zitate sind auch in der improvisierten Musik, bereits in der frühen Musik, einstweilen im Jazz, schon immer en vogue gewesen. Aber was kann ich von einer kleinen klassischen Sonatine für meine spätere Improvisation als Inspiration nutzen? Den Aufbau mit Einleitung, Thema, Verarbeitung, spielerisches Umgehen mit Technik. Vielleicht aber das Gefühl in neue Musik umsetzen, dass mich befällt, wenn ich an die erste Stunde mit diesem Stück denke. Vielleicht eine kurze Phrase, die Ausgangspunkt für eine neue Verarbeitung ist mit all’ der spielerischen Erfahrung, die ich in den letzten Jahren hinzu gewonnen habe. Nicht nur die Lust am Klischee und am Zitat verbirgt sich hinter der Reminiszenz, sondern auch Strukturen, die ich erinnere. Nicht nur technische Struktur, sondern Bilder, Farben, Menschen im Umfeld, ein bestimmter Tag, Moment oder Satz eines Menschen. Das, was für mich in Verbindung mit diesem Moment war und wahr ist.
Persönliche Wahrhaftigkeit erreichen und dennoch das Publikum im weitesten Sinne zu unterhalten.

Es geht um ein erneutes Er-Leben. Nicht nur nachspielen, sondern natürlich das Ergänzen mit Wünschen. Wie hätte die Situation auch sein können, positiv wie negativ? Verrate diese Erinnerung nicht für einen kurzen Lacher aus dem Publikum oder für ein gefälliges Spiel. Im Zusammenspiel mit anderen Improvisateuren besteht die Kunst darin, neue Impulse zulassen zu können, ohne auf seine eigene Erinnerung zu bestehen. Impulse annehmen als Angebot, seine eigene Geschichte verändern lassen. Der Rückgriff auf Erinnerungen ist wahrlich beeinflusst durch die Rückkoppelungs- und Beeinflussungseffekte des Publikums. Daher scheinen wohl auch meist die Lieder beim Soundcheck vor einer Show qualitativ besser. Obwohl das immer wieder ein Sreitpunkt ist in der Diskussion über Improvisation.

Ein entscheidender Faktor für mich ist Zeit. Wenn Publikum bei meiner Improvisation anwesend ist, fühle ich mich oft unter Druck gesetzt. Ich habe nicht die innere Ruhe und Zeit, mich auf das zu besinnen, was ich wirklich sagen will. Dieser Stress zwingt mich leider noch oft genug dazu, so zu spielen, wie ich es nicht will. Diese, von mir eher als negativ empfundene Rückkoppelung abzumildern oder vielleicht gänzlich ausschalten zu können, ist mein persönliches Ziel in der Improvisation: Persönliche Wahrhaftigkeit erreichen und dennoch das Publikum im weitesten Sinne zu unterhalten. Ohne die Rückkoppelung des Publikums sind wir eher befähigt in den „Flow“ zu kommen. Jenen Zustand, der als zeit- und ortslos empfunden wird. Als Punkt der völligen inneren Zufriedenheit. Das wird immer die größte Herausforderung für einen Improvisateur bleiben.

Dennoch lohnt es sich aus Erinnerungen zu schöpfen und sie für die Improvisation zu nutzen. Auch wenn sie oft geschönt in unserem Kopf gespeichert werden. Vielleicht ist es eben genau diese Veränderung, die ein Rückgriff auf unsere Erlebnisse ein Wieder-Leben oder wieder Er-Leben so spannend machen kann. Nicht nur für uns selbst, sondern auch für ein Publikum, dass andere Facetten unseres Lebens erfahren kann, die gemischt sind mit Erfahrungen, die wir nach dem erinnerten Erlebnis das Bild dessen ergänzt und verändert haben. Ohne das Spannungsfeld zwischen eigener Wahrhaftigkeit, Flow und Rückkoppelung durch das Publikum, das dennoch unterhalten werden soll, würde Improvisation zu einer egoistischen Selbstbefriedigung werden. Dafür bräuchte ich noch nicht einmal diesen Artikel veröffentlichen.

Dieser Artikel wurde bereits am 20.06. 2011 bei impro-news.de veröffentlicht.

Trainieren mit dem Musiker

Man mag für Improtheater ungern den Begriff “Probe” verwenden. Die meisten Spieler sprechen von Training. Sonst klingt alles so nach einstudieren und zu festen Strukturen. Aber halt! Wenn man mit dem Musiker trainiert, ist es durchaus eine Probe. Je nachdem, welche Auffassung man von der Rolle der Musik im Improtheater hat. Man kann feste Liedstrukturen, wie das allseits beliebte Strophe-Strophe-Refrain-Strophe-Refrain-Schema proben. Die Struktur ist ja in fast allen Ensembles fest und die gleiche. Manche trauen sich sogar eine Bridge zu, also einen weiteren musikalischen Teil. Leider kleben dennoch zu viele an diesem Schema, statt auch bei Auftritten seiner musikalischen Inspiration freien Lauf zu lassen. Das Ergebnis ist zwar ein Lied in fester Form, das aber oft langweilig ist. Ist der Spieler auch noch nicht ganz sattelfest im Singen, kann man nur darauf hoffen, dass das Publikum wenigstens schon davon begeistert ist, dass man überhaupt mit Musik improvisiert.

Der Weg ist auch hier manchmal das Ziel.

Wie kann also eine Probe mit dem Musiker aussehen? Man versuche neue Formen zu finden. Inspirierende Formen, die offen genug sind, dass sie auch dem Musiker Spaß machen und die Möglichkeit geben die Impro einfach fließen zu lassen. Im Idealfall zu einer Art Refrain, einem Teil, der so gut gelungen und schön ist, dass man ihn am liebsten ewig wiederholten möchte. Das ist für das Publikum auch spannend! Der Weg ist auch hier manchmal das Ziel. Es ist spannend zu sehen und zu hören, wie sich ein Song entwickelt und zu einem schönen Höhepunkt gelangt. Das feiert das Publikum oft mehr, als eine feste Strophen-Refrain-Form. Das ist die Magie der Improvisation. Der Rest ist Abrufen von Strukturen. Wenn der Musiker dann auch noch beliebte Harmoniefolgen abruft, wird das Ganze nur langweilig. Auch hier kann man sich gegenseitig überraschen.

Außerdem ist es möglich verschiedene musikalische Genres auf typische musikalische Parameter zu untersuchen und gemeinsam auszuprobieren. Vielleicht gibt es eine bestimmte Art zu singen, wie in orientalischen Stilen. Oder es gibt einen prägnanten Rhythmus, den man erst einmal gemeinsam fühlen muss. Außerdem ist es gerade im Training möglich, die Informationsebene in Songs völlig auszuschalten und in Gromolo bzw. Kauderwelsch wunderschöne Laute zu formen und eine Kunstsprache zu singen. Dabei kann man sich dann ganz auf die Melodie oder den Rhythmus konzentrieren. Erwartet nur bitte nicht, dass der Musiker die Jukebox ist, wo man nur auf Start drückt und los geht’s. Gebt ihm auch die Möglichkeit sich auszuprobieren. Er ist nicht nur Grundlage, auf der ihr singt, sondern improvisiert mit Euch zusammen! Das Scheitern gehört auch hier dazu. Ungewöhnliche Harmoniefolgen sind kein Fehler, sondern vielleicht der mutige Versuch, mal etwas Neues zu machen. Lasst Euch darauf ein. Es ist oft spannender, als die beliebten Popmusik-Akkorde.

Außerdem habt Ihr im Training die Möglichkeit musikalische Stimmungen auf Euch wirken zu lassen, ohne gleich eine Szene zu spielen. Auch ein Imaginieren kann hilfreich sein für spätere Spielsituationen. Erzählt Euch von Euren Bildern, die im Kopf entstehen, wenn der Musiker verschiedenes ausprobiert. Die Betonung liegt auf Ausprobieren und nicht Abrufen! Auch als Musiker unterliegt man oft genug der Falle, immer wieder auf Bekanntes und Sicheres zurückzugreifen. Das Klavier hat nicht nur Tasten, sondern auch Saiten. Und im Grunde kann man mit diesem Holzschrank auch andere Geräusche hervorrufen oder sogar trommeln. Ob auf den Tasten oder auf dem Deckel. Alles trägt zu den Bildern im Kopf bei.
Bezahlt ihn!

Bei meinem letzten Workshop wurde ich gefragt, wie man Musiker dazu bringt, mit Improgruppen zu trainieren und aufzutreten. Es gibt kurze Antworten dazu:

1. Seid als Improgruppe inspirierend für den Musiker und gebt ihm das Gefühl des gemeinsamen Improvisierens.

2. Tretet auf und gebt ihn bei Auftritten seine Freiheiten.

3. Bezahlt ihn!


Auch wenn Geld der schlechtere Motivator ist, manchmal hilft es einen Musiker zu finden, wenn schon die intrinsische Motivation nicht funktioniert. Vor allem Amateurgruppen, die Improtheater als Hobby betreiben, scheuen sich davor den Musiker zu bezahlen. Denkt daran, dass der Musiker wahrscheinlich viele Jahre in seine Ausbildung investiert hat. Nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Und überprüft, ob ihr auch soviel in Eure Ausbildung zum Improspieler getan habt. Wenn Euch das Argument der Bezahlung abschreckt von der Musik beim Improtheater bleibt Euch immer noch der große Bereich des A-Capella-Singens. Aber auch dafür müsstest Ihr mindestens ein Mal den Musiker bezahlen, der Euch dafür den Workshop gibt.

Dieser Artikel wurde von mir bereits am 27.12.2010 auf impro-news.de veröffentlicht.