Mittwoch, 12. August 2009

Leitmotive in Langformen

Nach der Vorstellung einer Langform gestern, fiel mir auf, was die musikalische Begleitung in einer langen Geschichte bewirken kann. Ähnlich wie Filmmusik leitmotivisch, im Wagnerischen Sinne, aufgebaut sein kann, können in einer Improtheaterlangform musikalische Motive Figuren kennzeichen, unterstützen, vergrößern. Auch Motive für bestimmte Orte sind möglich und fördern den Wiedererkennungswert und -effekt beim Publikum. Ich versuche in Langformen immer wieder z.B. dem Helden oder dem Antagonisten musikalische Charakteristika in Form von Leitmotiven zu geben. Dies funktioniert auch bei Gefühlen, die die Figuren empfinden: Liebe, Hass, Eifersucht, Freude.... Schön wäre es, ich kann es nicht oft genug sagen, wenn die Spieler der Musik dann auch noch den Raum lassen. Sei es zu Beginn der Szene oder am Ende einer Geschichte. Besonders am Ende wäre es schön, wenn die Szene nicht mit dem letzten Satz sofort ausgeblendet wird, sondern die Figuren noch eine Weile stehen oder handeln, während das Leitmotiv der Geschichte, des Helden, o.ä. erklingt und quasi ein Abspann der Geschichte entstehen kann. Der Applaus setzt dann ganz automatisch ein und muss nicht durch eine schwarze Bühne erzwungen werden.

Montag, 10. August 2009

Sie da in der roten Jacke

Sollte man lieber das gesamte Publikum nach Orten, Namen, etc. fragen oder gezielt jemanden ansprechen! Ich denke bei 300 Menschen im Kesselhaus der Kulturbrauerei ist vielleicht sinnvoller gezielt jemanden zu fragen nach einer Inspiration, denn der Lärmpegel lässt es kaum zu, etwas zu verstehen, wenn das Publikum ruft.
Aber: Bei einem kleinen Publikum von 20 bis 30 Leuten kann man getrost verzichten, jemanden ins für ihn unangenehme Rampenlicht zu stellen durch quälend lange Abfragen, nur weil der befragte noch nicht die gewünschte Inspiration geliefert hat. Ein kleines Publikum ruft auch, wenn man es gut warm macht. Außerdem geht es nicht um Zivilcourage in der U-Bahn, bei der man jemanden gezielt ansprechen soll à la "Sie da mit der roten Jacken.". Man bedenke immer, dass das Publikum sich in einen Schutzraum der Dunkelheit begeben hat um Menschen auf einer Bühen zu sehen. Man sollte das vorsichtig angehen und nicht mit seiner Impro-Au-Ja-Energie-Ich bin der Geilste-Ich darf es rauslassen-Attitüde überrollen.

Warm Up muss nicht nur heißen seinen eigenen Namen auf die Bühne zu rufen oder andere Begriffe. Auch körperliches Warm Up oder Musik kann helfen. Es gilt hier immer die Regel: Je mehr Energie du auf der Bühne hast, desto mehr kommt im Publikum an und auch wieder zurück. So lange man seine Energie charmant versprüht, kommt man auch nicht als überdrehter Moderator an. Vorsicht und Taktgefühl ist nicht leicht beim Hochstatus des Moderators. Aber ich denke, man muss sich nur eines immer wieder klar machen: Es geht um eine gute Show, um Theater, um das Produkt und nicht um mich als Moderator. Deshalb heißt er doch Moderator von lat. moderatio/moderare → mäßigen, steuern, lenken. Vor allem "mäßigen" und vor allem sich selbst!

Negativität und Blockieren

Vor einigen Tagen las ich einen wichtigen Gedanken meines Kollegen Urban von Paternoster. Er schrieb:

"Impro Geschichten neigen dazu mit „negativer Grundhaltung“ zu starten! – Negativität heißt Kontrolle durch Kritik zu behalten – und da wir beim Impro unsicher sind, versuchen wir die Kontrolle zu behalten!"

Oh, wie Recht er hat! Und vor allem ist Negativität und Kontrolle kein Problem von Anfängern, sondern ist durchaus auch bei Profis zu beobachten. Man lernt eben nie aus. Sollten man zumindest nicht!

Freitag, 7. August 2009

Schnelle Begleitung, ruhiger Gesang

Oft höre ich von Improspielern, dass in einem Song die Begleitung viel zu schnell war. Ich entgegne oft, das dies sehr relativ sei. Denn: Selbst wenn z.B. ein schneller Country oder eine treibende Samba die Begleitung bildet, ist es doch möglich mit großen Notenwerten darüber zu singen. Mein Beispiel dafür: Brazil, Samba-Begleitung, sehr hektisch, viel Percussion. Die Melodie: Sehr lange Notenwerte. Besonders zu Beginn. Sie geben die Möglichkeit auf einem langen Ton zu verharren und dann immer noch das schnelle Tempo in die Melodie einfließen zu lassen. Vielleicht ist das auch ein Problem, wenn in Improsongs viel zu viel Text und Story untergebracht wird. Es gibt zahlreiche Beispiele, die mit wenig Text oder Melodie auskommen und trotzdem sehr schöne Songs sind...

Musik als Inspiration für Szenen

Bei den letzten Auftritten fiel nicht nur mir auf, dass nach dem Einzählen durch das Publikum sofort ein Spieler auf der Bühne eine Szene begann. Ich als Musiker hänge oft hinterher und die Musik wird kommentierend. Es würde sicher andere Szenen geben, wenn die Spieler mir und sich die Zeit geben, die Musik inspirierend wirken zu lassen zu Beginn. Auch wenn das schnelle "Auf die Bühne springen" ein trainierter Reflex ist, sollte man versuchen, es auch einmal anders herum zu versuchen. Ich denke, alle werden erstaunt sein, was dabei heraus kommt.

Ängste, Erwartungen und Beeinflussung des Klangergebnisses durch das Publikum

Es ist die Angst, die mich während des improvisierten Spiels von Zeit zu Zeit ergreift. Die Angst Erwartungen des Publikums nicht zu erfüllen. Die Angst, dass der Seufzer hinter meinem Rücken eine Aussage von Langeweile gleichkommt. Es hilft nur der Gedanke, dass Seufzen auch Entspannung bedeuten kann. Sitzen vermehrt unbekannte Menschen hinter mir während ich improvisiere, bemerke ich an mir, dass mein Spiel lapidar werden kann. Passagen werden gleichgültig und allgemein. Das drückt sich vor allem dann in harmonischen, melodiösen Phrasen aus, die darum ringen beim Publikum keinen Schrecken hervorzurufen. Dabei traue ich mich dann immer weniger auch atonal und rhythmisch freier zu spielen - aus Angst, den Menschen etwas zu bieten, dass sie abschrecken könnte. Dabei sind es genau diese Phasen, die ich als größtmöglichen musikalischen und persönlichen Ausdruck empfinde. Nach dem Konzert gestern, schweißnass und die Augen nahezu vollständig während des Konzerts geschlossen, überkam mich eine große Traurigkeit. Obwohl ich niemanden im Auditorium erblicken konnte, der nicht einen wohlgesonnenen Gesichtsausdruck hatte. Der Applaus war ebenfalls sehr herzlich und lang. Diese Zweifel zerreißen mich. Kurz darauf, wenn ich mir die positiven Reaktionen des Publikums noch einmal ins Gedächtnis rufe, weiß ich, dass ich nichts falsch mache. Wie auch in einem improvisieren Klavierkonzert? Es kommt mir dann der Gedanke, dass ich nicht nur Stellen spielen kann, die jedem im Raum gefallen. Stattdessen sollte ich bei meinem Stil und meinem Ausdruck bleiben. Denn das Publikum ist ja in jedem Moment des Konzerts gespannt, was passiert. Auch wenn eine Passage einen Hörer nicht erreichte oder ihm nicht gefiel, ist er doch gespannt, ob danach nicht etwas kommt, das er phänomenal findet. Die Hörerschaft von einer Einfachheit, z.B. durch wenige Töne, zu überzeugen und damit auszusagen, dass auch dies eine große Ausdruckskraft und Wirkung haben kann, ist nicht immer leicht. Das Publikum und diese Gedanken im Spiel auszuschließen, käme einer intellektuellen Selbstbefriedigung bei, die so nicht erwünscht ist. Also sind diese Gedanke genau die Art von Beeinflussung durch das Publikum, die ein Improvisationskonzert ausmachen. Auch wenn ich nächstes Mal wieder mehr ich sein möchte auf dem Klavier.