Es ist schon länger her, dass ich etwas veröffentlicht habe. Und das liegt nicht unbedingt daran, dass ich soeviel zu tun hätte. Im Gegenteil: Es ist irgendwie Sommerloch. EIgentlich nicht wirklich, aber es fühlt sich so an. Ein paar Schüler sind im Urlaub. Ok. Hear and Now macht Pause. Ich gebe keine Workshops. Das einzige, was läuft, ist die wöchentliche Mittwochshow mit Paternoster. Und dennoch entspanne ich mich nicht wirklich in dieser Zeit, in der ich genauso auch Urlaub machen könnte. Das liegt am traditionellen Sommerfinanzloch und irgendwie auch daran, dass ich mehr Zeit zum Nachdenken habe. Ich frage mich, ob es Sinn macht, soviel in Improworkshops zu investieren. Ob Hear and Now überhaupt Sinn macht, wenn der Aufwand nicht mit den Zuschauerzahlen in Einklang ist. Und vor allem: Ich habe zwar Zeit, um an meinen Kompositionen zu arbeiten, jedoch frage ich mich nun, ob es ein Album sein soll - also die Veröffentlichung von mehreren Titeln gleichzeitig - oder eben immer mal wieder ein Einzeltrack, der fertig geworden ist. Und da haben wir die Grundfrage: Wann ist etwas wirklich fertig? Frage ich drei Leute nach ihrer Meinung, was im Stück noch fehlt, bekomme ich drei Antworten, die alle unterschiedlich sind. Ist das Stück zu langweilig, zu lang, zu profan, zu unfertig. Was soll das überhaupt? Wozu das Stück? Diese Selbstzweifel plagen mich zusätzlich im Sommerloch, dabei ist es die schönste Zeit, die man in Berlin haben kann. Ich bin zu den Schlüssen gekommen, dass nie etwas wirklich fertig und perfekt ist. Dass ich meinen Output an Kompositionen erhöhen will. Dafür muss ich weniger zweifeln an den Ergebnissen, sondern einfach mehr Ergebnisse liefern. Auch wenn nicht jedes Stück die Welt verändert. Ich muss zu meinen künstlerischen Entscheidungen stehen, dass ein Stück nun mal ist, wie es ist. Andere machen es anders. Egal. Es muss mir ein Stück weit mehr egal werden. Und ich werde mehr Einzeltracks veröffentlichen. Es geht sowieso nicht mehr um Geld verdienen mit Kompositionen. Nicht mehr zu dieser Zeit. Ein Album werd ich dann aus vorhandenen Einzelstücken zusammen fassen, die in einem Zusammenhang stehen. Den sieht man eh oft erst hinterher. Dann eben noch zwei Bonustracks drauflegen, wie mein Freund und Produzent Frank Böster meint, und fertig ist die Albumlaube. Aber der Output sollte erhöht werden. Und ich werde mich nicht musikalisch festlegen auf eine Richtung, sondern alle Richtungen anbieten. Auch wenn da manchmal Unperfektes rauskommt. Aber was ist schon perfekt?!
Am 22.12. spielte ich gemeinsam mit Max Geng das letzte Hear and Now Konzert im vergangenen Jahr. Ich bat zwar im Vorfeld um Audiofiles von Zuschauern, es kamen aber keine.
Also verzichtete ich darauf. Hier gibt es das ganze Konzert zum nach hören:
Und hier ein kleiner Ausschnitt als Video, in dem man auch die Filme von Andrzej Koston sehen kann, die er mir für das Konzert zur Verfügung stellte:
Eine prima Sache waren die kleinen Videos von Andrzej. Ich denke, dass es gut zur Musik und anders herum gepasst hat. Und ich habe wieder eines gemerkt: Es muss keinen Zusammenhang im Vorhinein geben. nicht unbedingt. Das Gehirn stellt ganz von selbst einen Zusammenhang zwischen Bild und Ton her. Dennoch werden wir versuchen, und besser zu positionieren, so dass wir mehr mitbekommen, was auf der Leinwand passiert. Das birgt allerdings die Gefahr, dass das Video zu sehr in den Fokus gerückt wird. Mal sehen, wie wir das lösen. Ein Vorschlag war, Gase als Leinwand zu nutzen, da sie nicht ganz so auflösend sind, wie eine weiße Wand.
Am Silvestertag habe ich dann spontan neue VSTs ausprobiert und etwas komponiert. Verwendet habe ich dabei unter anderem Xtended Piano von Soniccoutre, Addicitve Keys, Native Instruments Kontakt und SessionStrings Pro. Frank Böster mixte und masterte die Version:
Als Musiker für Improvisationstheater und Interessierter im Bereich Filmmusik gehe ich ständig der Frage nach, wie Scoring und Soundtrack im Film funktioniert und wie ich es auf der Theaterbühne um- und einsetzen kann. Am heimischen PC statte ich mich nun schon längere Zeit mit entsprechenden virtuellen Instrumenten aus. Die neueste Anschaffung ist ein Streichorchester. Die Entwickler von CineSamples haben sich der Filmmusik verschrieben und samplen Instrumente für diesen Zweck. Ich hatte mir vor einiger Zeit bereits CineOrchestra zugelegt. Sozusagen die Schnell-Variante, um Orchesterflächen herzustellen. In meinem älteren Artikel über Filmmusik kam es zum Einsatz neben den Trommel-Samples von Drums of War 2 (Der Titel sagt ja schon alles.). Nun habe ich beim Release von CineStrings zugeschlagen. Es gibt viele Diskussionen im Netz drarüber, welche String Library nun die beste für Filmmusik wäre und welche am besten klingt. Der Preis ist immer ein Kriterium. Und da CineSamples hier für mich das beste Preis-Leistungs-Verhältnis hatte, gönnte ich mir mein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk. Die Entwickler haben bei dieser Library darauf geachtet, sämtliche Artikulation zu samplen, die auf Streichinstrumenten möglich sind und beim Komponieren wichtig sein können. Von Legato bis Col Legno ist alles dabei und klingt wirklich top. Eine Einführung in dieses VST gibt es in diesem Video:
Ich werde hier sicher nicht ausführlich alles darlegen können, aber ich möchte eine kleine Sammlung zeigen. Es werden sicher noch weitere Artikel zu diesem Thema folgen. Gern könnt Ihr in den Kommentaren ergänzen!
Harmonik
Die Harmonik beschäftigt mich schon sehr lange in Soundtracks. Dabei fiel mir auf, dass ich schon länger das anwende, was in Filmen musikalisch geschieht. Man muss unterscheiden, ob Musik Fläche und Suspense ist oder dramaturgisch einwirkt. Eine der oberen Prämissen beim Film ist, den Klang so lange es geht im wagen zu halten. Offene Akkorde ohne Terz ermöglichen das, da sie kein Tongeschlecht definieren. Weder Moll noch Dur ist hörbar. So kann der Zuschauer nicht in eine Richtung gelenkt werden. Die Herausforderung hierbei ist, die Akkorde und Kadenzen dennoch interessant zu gestalten. Quarten wirken hier sehr öffnend. Ein 4/7/9 Akkord klingt offen und kann beispielsweise mit Streichern oder Klavier sehr gut gehalten werden. Auch Arpeggio ist hier möglich. Je nach Spielsituation. Man muss sich der Wirkung von Akkorden sehr bewusst sein, um als Musiker auch dramaturgisch bewusste Entscheidungen zu treffen. Deshalb sei es immer geraten, viel zu spielen und zu hören, was wie wirkt. Ich versuche einige Wirkungen in Kürze zusammen zu fassen.
Einzelne Akkorde
Akkorde ohne Terz - wirken unbestimmt und offener Nicht alterierte Erweiterungen Quarte, Septime, None, etc. - klingen weich, offen und undefiniert Alterierte Erweiterungen, wie z.B. b9 oder #11 - färben den Klang in verschiedene Richtungen, Ausprobieren! Moll mit großer Septime - Krimi/Suspense-Akkord, spannungsvoll, unerwartet Moll mit #5 und großer Septime - Suspense, spannungsvoll, geheimnissvoll Vermindert - klassisch, bedrängend bis bedrohlich Übermäßig - märchenhaft, offen, positiv
Kadenzen
Quartverbindungen - offen, fast unendlich steigerbar Terzverbindungen, z.B. C | Em - melancholisch, weit, traurig, sehnsüchtig Terzverbindungen Mollakkorde, z.B. Gm | Em oder Gm | Ebm - bedrohlich, mächtig, stark, düster Moll-Tonika | Dur-Subdominante, z.B. Gm | C - melancholisch, öffnend, geheimnisvoll
Intervalle
Tritonus - gefährlich, bedrohlich, stark, kraftvoll Sekunden - beklemmend, ängstlich, bedrohlich Quarten - offen, unbestimmt (Quarten aufwärts sind gern in Fanfaren, Militär- und Science Fiction-Filmen genommen) Sexten - Zweistimmigkeiten mit Sexten wirken in Dur sehr positiv bis kitschisch, in Moll sehnsüchtig, melancholisch bis kitschich kleine Septime - modern, jugendlich, verwegen
Intervalle können als Tonsprünge oder Mehrstimmigkeiten eingesetzt werden und wirken je nach Anwendung dann unterschiedlich. Ausprobieren!
Klangfarbe
Die Klangfarbe ist entscheidend für das Bild, das man malen will. In Filmen wird oft mit Orchester gearbeitet. Vor allem Streicher kommen immer wieder zum Einsatz. Je nach Stil arbeitet man mit Leitmotiv. Blechbläser verstärken sehr viel. Dramatik und Action wird meist mit viel lautem Blech unterstützt. Aber auch Solo Klavier ist immer mehr zu hören und beliebt. Auf der Bühne benutze ich viel Klavier, Streicher, Orchester, aber auch mal Gitarre, E-Piano, Synthesizer Sounds. Auch ein Solobass kann reizvoll bei der Gestaltung einer Szene sein. Meine Instrumentenwahl begründet sich oft damit, dass ich gern akkordisch spiele. Das macht mit einer Flöte oder Solo Trompete nicht so viel Sinn. Aber dennoch kann es reizvoll sein, eine Szene mit einem Solo-Instrument auszustatten. In Phantasie oder mystischen Szenen benutze ich gern eine Celesta in Kombination mit Streichern oder Pizzicato Streichern. Dramatik kann mit staccato und marcato Streichern unterstützt werden. Man ist immer frei in der Wahl der Klangfarbe und doch nicht. Es kommt drauf an, ob man einige Klischees mitgehen möchte, weil sie zum Genre gehören oder der Sache gut tun. Auf Teufel komm raus eine andere Klangfarbe zu wählen, weil man sich gegen den Hollywood Sound sträubt, ist auch nicht immer angebracht.
Rhythmik
In großen Hollywoodstreifen hört man epische Trommeln. Gern wird da auf japanische Taikos oder anderes exotisches Schlagwerk zurück gegriffen. Auch sehr tiefe Subdrums kommen zum Einsatz. Trommeln treiben an. Ein 3/8 oder anderer triolischer Rhythmus unterstützt Action und Drama. Kombiniert mit staccato spielenden Streichern und Blechbläsern hat man schnell den treibenden Sound, den man aus großen Filmen kennt. Wendet man dann noch die typische Harmonik an, steht dem Heldenabenteuer nichts mehr im Wege. Bei der Filmmusik, die mit Klavier gestaltet wird, entdecke ich den Trend, in der linken Hand Duolen zu spielen und in der rechten Hand die Triolen schnellen zu lassen. Das hat den Hintergrund, dass man zunächst scheinbar langsam beginnt und mit den Triolen eine Steigerungsmöglichkeit hat. Das relativ ruhige wechseln von zwei Tönen verrät noch nicht den triolischen, treibenden Charakter, der später folgen kann. Dies funktioniert natürlich auch mit anderen Instrumenten, z.B. auch mit Celli.
Suspense
Um Spannung zu erzeugen oder den Spielern einen Teppich zu geben, auf dem sie agieren, ist Suspense unabdingbar. Ich bin zwar kein großer Freund vom Zukleistern von Szenen, aber manchmal ist Suspense angebracht und hilft weiter. Oft reicht schon ein einzelner Ton. Beliebt ist ein hoher Streicher oder auch ein tiefer, der jedoch schnell nach Spannung klingt. Manchmal setze ich kurze Akzente mit einem Klavier. Je nach Charakter der Szene muss das nicht harmonisch offen sein, sondern kann färben, wie in einem Krimi z.B.
Interessant wird Filmmusik aber durch einen individuellen Touch. Also darf man sich nicht scheuen, etwas auszuprobieren. Immer nur die Prototypen zu bedienen ist auf Dauer langweilig. Ein eigenes Leitmotiv zu entwickeln macht Spaß´und verschiedene Klangfarben zu benutzen auch. Das sollte Prämisse bleiben, um sich selbst weiter frisch zu halten und sich nicht auf Dauer zu langweilen.
Ich probiere diese Sachen beim Improtheater Paternoster aus. Wir spielen eine Langform (Dein Held - Deine Geschichte) jeden Mittwoch im Maschinenhaus der Kultubrauerei in Berlin. Eine klassische Heldenreise, in dem ich als Musiker die Möglichkeit habe, das anzuwenden, was Ihr hier oben lesen konntet. Dort spiele ich mit meinem Roland GW8 Keyboard und einem Roland SP 404 Sampler. Vielleicht sehen wir uns dort einmal und können über diese Dinge live diskutieren.
Außerdem werde ich 2014 Workshops für Musiker anbieten, die Lust haben, sich in diesem Bereich weiterzuentwickeln und sich auszutauschen. Schaut einfach mal auf improworkshop.com