Samstag, 30. März 2013

Zimmer dir 'nen Soundtrack - Filmmusik für Dummies

Seit Jahren ist ein Trend in Hollywood, vor allem bei epischen Filmen, wie Herr der Ringe, Batman, Gladiator, Fluch der Karibik, Inception oder Snow White and the Huntsman zu beobachten. Komponisten sind Hans Zimmer, James Horner, James Newton Howard und viele andere, die eines verbindet: Ihre Liebe zum großen Orchester und dem Leitmotiv. Jenes Stück Musik, dass uns den ganzen Film über begleitet. Mal dramatisch und groß, mal zart und im Hintergrund. Musiker, wie Richard Wagner oder Hector Berlioz sind schon vor einigen Jahrzehnten dafür bekannt gewesen, diese Technik in ihren Werken zu nutzen. Dabei ist es eigentlich ganz einfach: Man nehme eine kleine Melodie und lasse sie immer wieder auftauchen und eben "leiten". Wer kennt nicht die Melodie von "Herr der Ringe" oder "Starwars"? Diese Technik wird nach wie vor in Filmen genutzt. Und mehr noch: Das Motiv wird mit einem großen Orchester quasi aufgepumpt. Viele Streicher, Bläser kombiniert mit Schlagwerk und Chören sind in Mittelalter-Filmen, wie in Phantasy-Streifen zu hören. Ausschlaggebend für den Artikel ist dieses Video mit Hans Zimmer auf youtube. Er spricht darin über sein Verständnis von Harmonik. Seine Grundthese ist: Lass alles in der Schwebe, sei nicht eindeutig in den Akkorden und mache bewusst Fehler, die in der klassischen Harmonielehre verpönt sind. Am Ende des Artikels soll das durch das Austauschen von Akkorden verdeutlicht werden.


Ich möchte versuchen die Analyse so zu machen, dass man sie als Laie und als Musiker versteht. Das wird sicher ein paar Begriffsschwierigkeiten mit sich bringen. Letztlich kommt es aber darauf an, es zu hören.

Wie baut man sich seinen Soundtrack? -
Über Tonleitern und Akkorde

Ich habe für diesen Artikel mal einen kleinen drei Minuten Beispiel Track produziert und seziert. Damit könnt Ihr auch als Nichtmusiker versuchen nachzuvollziehen, was eigentlich passiert in solchen Filmscores. Man verzeihe mir, dass ich beim Mixing und Mastering nicht ganz so genau gearbeitet habe. Hier könnt Ihr euch den ganzen Track einmal in voller Länge anhören:



Hier ist auch ein Screenshot des Arrangements, wie ich es im Aufnahmeprogramm angelegt habe. Ohne Noten lesen zu können, kann man hieran gut sehen, wann was im Stück einsetzt und wann zusammen spielt. Das ist quasi die Partitur, der Fahrplan, den der Dirigent oder die Musiker sonst so vor sich haben.

Arrangement in Cubase
Tonleiter, Stufen, Melodie

Grundlegend ist in der Musik die Harmonielehre. Es würde zu weit führen hier eine umfassende Einführung zu geben. Die ist auch nicht nötig. Man muss nur verstehen, was eine Tonleiter und ein Akkord ist.

Eine Tonleiter besteht, wie eine Leiter auch, aus Einzeltönen - man könnte auch Sprossen oder Stufen sagen. Nach einem bestimmten Bauplan entstehen die Tonarten. Aus einer Tonleiter - z.B. C-Dur - ergeben sich die Töne
c d e f g a h c

Damit kann man Melodien bzw. können wir unser Leitmotiv basteln.

Ich habe für mein Beispiel die Tonart g-moll gewählt. Es gibt quasi zwei Motive bzw. Themen. Ich habe beide einmal mit Klavier gespielt und sie Thema 1 und 2 genannt, damit man es pur raushören kann.

Thema 1


Thema 2


Die Themen werden im kompletten Stück vom Chor und von Streichern gespielt. Sie spielen ein und die selbe Melodie.

Die Begleitung - Akkorde

Schichtet man mindestens drei Töne übereinander, erhält man einen Akkord bzw. Harmonie.  Die Tongeschlechter Dur und Moll entstehen aus den unterschiedlichen Abständen der Töne innerhalb eines Akkords. Im Volksmund sagt man Dur klinge eher fröhlich positiv und moll eher traurig und dunkel. Bleiben wir mal bei der Unterscheidung, auch wenn ich kein Freund davon bin. Durch die Schichtung von Tönen über den einzelnen Tönen der Tonleiter entstehen Akkorde, die verwandt miteinander sind und bestimmte Funktionen im Stück erfüllen. Nach den Regeln der Harmonielehre bastelt man dann eine Kombination von Akkorden zusammen und erhält somit die Grundlage für unser Leitmotiv. Hierzu kann man sich die Tonleiter nehmen und nach der sogenannten Stufentheorie Akkorde kombinieren.

Ich habe für mein Beispiel folgende Akkordverbindungen gewählt:

Thema 1 - Gm Bb Eb F | Gm Eb F F
Thema 2 - Cm Ab Eb G | Cm Ab Eb G/H D/A

Die Akkorde - Das Orchester

Bei meinen Aufnahmen habe ich unter anderem mit virtuellen Instrumenten von Cinesamples gearbeitet. Diese Firma hat sich auf Software-Instrumente für den Film- und Fernsehbereich spezialisiert. Die Orchesterklänge stammen vom CineOrchestra 2.0 Instrument. Die Streichermelodie sind die Session Strings Pro von Native Instruments, der Chor stammt aus der Library von Kontakt 5.

Das Instrument wurde in drei Sektionen eingeteilt. Das wird in diesem Demovideo erläutert. Akkorde sind komplett gesampelt, so das eine Taste schon bereits die fehlenden Töne mitklingen lässt und die Harmonien schon fertig sind. Man kann also noch mehr in Stufen denken.



Low Chords

Ich bin beginne mein Beispiel mit den Low Chords. Also tiefe, dunkle Akkorde. Man hört zunächst die Begleitung für Thema 1, dann für Thema 2.


Tiefe, lange Töne und Flächen erzeugen Spannung im Film. Oft ist es sogar nur ein sehr tiefer Ton, der liegen bleibt.

Diese Akkorde werden bis zum Ende immer wiederholt. Nur die Lautstärke (Dynamik) ändert sich. Es folgen auf den Low Chords die beiden Themen gesungen vom Chor und später unterstützt von den Streichern.

Tutti Chords

Um dem ganzen noch mehr Steigerung zu verleihen, kommen im Laufe des Stücks immer mehr Instrumente hinzu. So hört man ab 1:26 zusätzliche Streicher und Bläser in den Akkorden, die sogannten Tutti Chords (itl. "tutti" = alle). Das gesamte Orchester spielt also die Akkorde zusammen. Gemeinsam mit den Low Chords klingt die Steigerung also so:

Dadurch, dass nun auch höhere Lagen gespielt werden, klingt es insgesamt heller und lauter.

Tutti Octaves

Ab 1:55 min werden vom Orchester auch die Töne gedoppelt und in Oktaven gespielt, die schon grundlegend für die Low Chords und Tutti Chords sind. Damit wirkt das Ganze nun noch fetter, vor allem, weil das Blech nun sehr deutlich laut zu hören ist. Das sind vor allem Trompeten und Posaunen. Die Tutti Octaves klingen so:



Schlagwerk

Was noch fehlt zum perfekten Soundtrack ist das Schlagwerk Wer erinnert sich nicht an Trommelgewitter beim letzten Kriegsepos oder den Angriff der Römer auf eine Stadt? Cinesamples hat dafür eigens ein Instrument entwickelt namens Drums of War. Der Titel sagt eigentlich schon alles. Das Instrument ist eine Sammlung von verschiedenen Trommeln und Percussioninstrumenten. Sehr beliebt bei Filmmusikern sind die großen japanischen Taikotrommeln oder SubDrums. Beide habe ich verwendet im Beispiel. Die Sub Drum beginnt mit einem tiefen Basston. Die Taikos sind die lauter werdenden Trommelwirbel, die mit einem Beckenschlag beendet werden.




Nur immer das selbe oder doch was anderes?

Hans Zimmer spricht in dem anfangs erwähnten Video davon, den Sound möglichst nicht eindeutig zu machen und lange in der Schwebe zu lassen. Auch die Wahl eines der Theorie nach falschen Akkords in einer Folge, ist mittlerweile typisch Hollywood. Die Low Chords tauchen in Filmen oft immer wieder leise im Hintergrund von Szenen auf. Aber nicht unbedingt die selben, wie im präsenten großen Leitmotiv. Oft sind sie leicht verändert. Das geschieht ganz einfach, indem der Akkord umgeschichtet wird. Ein Beispiel:

Der Ausgangsakkord (hier Gm)  ist aufgebaut aus

D
Bb
G

Man tauscht nun einfach die Töne und stellt sie um, erhält man folgende Möglichkeiten:

G  | Bb
D  | G
Bb  | D

Es ist zwar immer noch der Gm-Akkord, doch ist nun im Bass nicht der Grundton G, sondern das B. Man könnte ihn nun als Gm/B oder als Bb6 bezeichnen. Der Akkord klingt nun ein klein wenig anders, das Motiv passt aber immer noch darüber.

Ich habe ein Beispiel gemacht, in dem ich die oben bereits gehörten Low Chords alle durch solche Ersetzungen ausgetauscht habe. Es ist die selbe Folge und widerum doch nicht. Hört selbst:



Nun noch einmal mit den Themen darüber. Etwas andere Begleitung, funktioniert aber trotzdem.



Zum Vergleich nochmal die erste Version der Low Chords mit dem Thema darüber:


Man hört, dass kleine Veränderung erstmal neu wirken, aber dadurch, dass nur eine Kleinigkeit verändert wurde, schwebt der Klang. Er ist offen und anders und dennoch passt das Leitmotiv darüber und kann so immer wieder im Film auftauchen. Immer in etwas anderer Form, aber es wird sich einbrennen.

Fazit

Ich kann nicht behaupten, mich mit Hollywood-Musikern vergleichen zu können, aber die Zutaten für einen Epos-Soundtrack sind denkbar einfach. Im Grunde geht es um den fetten Orchesterklang mit viel Blech und viel Fundament. Dazu epische Chöre, die das ganze so sakral werden lassen. Je nach Genre kommen noch regionale Instrumente dazu, wie Dudelsack oder Flöten. Der Chor kann auch durch einen sehr hohen klaren Sopran einer Sängerin oder durch die tiefen Kirchenchöre ersetzt werden. Eine Orgel könnte eine Rolle spielen. Es geht um den Teppich und um ein Leitmotiv. Wie einfach das sein kann, hab ich versucht zu zeigen. Letztlich wäre das aber nicht möglich gewesen, ohne die virtuellen Instrumente, die quasi all diese Theorie schon beinhalten und in Software herunter gebrochen haben. Allein die Aufteilung der Tastatur innerhalb des Software Instruments sagt schon alles über die Machart dieser Art von Filmmusik. Ich möchte aber betonen, dass ich für diesen Artikel nicht von den genannten Firmen gekauft wurde. Ich möchte Euch nur zeigen, womit ich arbeite. Das frage ich mich bei vielen Stücke selbst oft. Daher sollte es nur ein Hinweis sein.

Wenn Ihr Fragen habt, schreibt mir gern einen Kommentar. Ich habe im Artikel nicht alles im Detail oder verständlich für alle erklären können. Um so spannender kann eine Diskussion im Nachhinein sein. Ich freue mich auf Eure Gedanken dazu. Und wenn Ihr das nächste Mal einen Film schaut, hört doch mal, ob Ihr ein Leitmotiv erkennt. ;)

Und hier nochmal das Ausgangsstück, damit Ihr nicht hoch scrollen müsst...




10 Kommentare:

  1. schön nachvollziehbar, wenn es musiktheoretisch nicht sofort klar wird...kann man es ja mehrmals lesen und hören. Quasi wie ein Leitmotiv ;-)

    Wenn die virtuellen Instrumente schon so designt sind, fragt sich was als nächstes kommt. In einem Forum ulkte jemand vor kurzem, in 10 Jahren würden wir quasi in unsere (Film-)Musik Workstation Computer nur noch per Sprache Kommandos eingeben. "Baue in den mittleren 8 Takten eine Wendung im Stile von James Horner ein und tausche die Bässe gegen Synthesizer Typ XY aus.." Wundern wird es mich dann nicht.

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  2. Sehr schön & Menge Arbeit.
    Aber was hältst du vom leitmotivischen Arbeiten in der Filmmusik?

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  3. Ich muss sagen, dass ich die Soundtracks von Hans Zimmer und denen, die ähnlich handwerklich arbeiten, nicht so sehr schätze. Leitmotivisch zu arbeiten, finde ich prinzipiell nicht falsch. Auch eine Klangfarbe zu entwickeln, die etwas erzählt gemeinsam mit den Bildern, ist eine gute Sache. Nur muss es gleich so auf die zwölf sein mit zwölf Bässen und nur noch tutti Leitmotiv? Meiner Meinung nach darf es durchaus interessanter sein. Auch interessanter, was die Klangfarbe angeht. Ich mag den anderen Strom der Klaviermusik im Film. Und die ist oft nicht leitmotivisch, sondern steht eher für Klangfarbe und Stimmung. Sie ist vielleicht dadurch im übertragenden Sinne leitend. Es ist immer die Frage, wieviel darf Musik im Film bestimmen und wieviel bestimmmen die Bilder über die Musik. Das Massenkampfszenen mit fettem Orchester illustriert werden, ist fast schon konsequent, aber das musst nicht immer sein. Ich finde, das ist ein Trend, den wir überall erleben: Alles wird größer, bunter, lauter, fetter, teuer, weil der Grundgedanke, die Aussage nicht anders geworden ist. (Stichwort Lautheitskrieg) Die Geschichten sind im Grunde immernoch die selben. Wo führt das dann hin? Gesamtkunstwerk, wie es Wagner immer wollte?

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  4. Hallo, ich danke dir sehr für dieses tollen Einblick,
    Ich würde selbst gerne Filmmusik studieren und habe eine Frage:
    Ich komponiere meistens aus dem Bauch heraus und ohne Hintergrundwissen über die Harmonielehre usw. Meine Frage ist, ist es trotzdem für mich möglich an einer Universität aufgenommen zu werden und möglicherweise dort alles weitere zu lernen? Danke im voraus.

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  5. Hallo,
    ich kenne die Aufnahmekriterien für Filmmusik nicht. Das wäre ja ein Studiengang an einer Filmhochschule, meines Wissens. So wie an der in Potsdam. Da muss man schon eine Aufnahmeprüfung machen, denke ich. Und da sind umfangreiche Kenntnisse in der Harmonielehre sicher unabdingbar. Ich habe Musikwissenschaft studiert in Würzburg und Berlin. Man musste zwar einen Eingangstest machen, aber der diente eher dazu, zu wissen, wo man steht und ob man noch einen Harmonielehre Grundkurs besuchen muss. Generell lernst du im Studium alles, was du brauchst, um Musik zu komponieren. Eigentlich egal, ob du ein Instrument, Musikwissenschaft oder Filmmusik studierst. Dennoch steht meist eine Aufnahmeprüfung an. Einfach mal die Websites der Hochschulen studieren. Falls du Nachhilfe in Harmonielehre brauchst, meld dich einfach. Vielleicht kann ich dir helfen.

    Gruß,

    Stephan

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  6. Hallo,
    mich würde interessieren welche hard- und softwear du genau verwendest, um deine Kompositionen zu vertonen.
    Außerdem wollte ich fragen, ob du weißt welche Vorraussetzungen es für ein (Filmmusik-)Kompositionsstudium gibt. Also ob man Eigenkompositionen einreichen muss (oder reichen Ideen/Arrangements?), usw..

    Vielen Dank im Vorraus

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  7. hey,

    ich werde am Wochenende eine ausführliche Liste mit meiner Hard- und Software veröffentlichen. Dann kannst du mal reinschauen, was ich so nutze.

    Zugangsvoraussetzungen für ein Studium findest du z.B. hier: http://www.hff-potsdam.de/de/studium-bewerbung/master-studiengaenge/filmmusik0.html

    Soweit ich rauslesen konnte, musst du vorher ein Studium in der Musikrichtung abgeschlossen haben und kannst dann einen Master machen. Also: Musikstudium, Komposition, o.ä. einen Bachelor machen und dann Master in Filmmusik draufsetzen.

    LG

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  8. Danke für deine Antwort!
    Weißt du vielleicht auch, was man für Vorwissen usw. für ein Kompositionsstudium braucht? Und muss man schon eigenestücke komponiert haben?

    Viele Grüße

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  9. Hey

    Denke die meisten Hochschulen haben Aufnahmeprüfungen für Musik. Wie hier in Hannover:http://www.hmtm-hannover.de/de/bewerbung/bewerbung-aufnahmepruefung/aufnahmepruefung/

    Dort findest du auch Musterklausuren. Oft wird mindestens ein Instrument voraus gesetzt. Meist Klavier. Außerdem Kenntnisse in Musiktheorie/Harmonielehre auf Niveau eines Musik Leistungskurses.

    Lg

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  10. Darf man deine Beispiel- Filmmusik für Trailer auf YouTube verwenden, ohne Probleme mit der Gema zu bekommen?

    LG

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