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Sonntag, 3. November 2013

Kleine Grundlage für Impromusiker

Mich haben schon öfters Musiker, die beim Improtheater die Musik machen, gefragt, was sie spielen sollen oder was sie noch anders machen können, wenn sie Lieder improvisieren. Was sie spielen sollen, habe ich ihnen natürlich nicht gesagt. Immerhin widerspräche das der Natur der Improvisation. Aber ich habe weniger erfahrenen Musikern immer nahegelegt, sich mit der Stufentheorie zu beschäftigen. Diese hier im Detail zu erklären würde zu weit führen. Ich möchte es kurz machen und ein kleines Beispiel bringen.

Wir nehmen der Einfachheit halber die Tonart C-Dur. Die Tonleiter wird aus diesen Tönen gebildet:

c d e f g a h c

Jeder Ton entspricht einer Stufe, die durch nummeriert wird. C ist Stufe I. D Stufe II usw.

Quelle: wikipedia
Daraus kann man Tonleiter eigene Akkorde bauen. Auf dem Klavier sieht das am einfachsten aus und ist gut nachzuvollziehen. Lässt man eine weiße Taste frei, so ergeben sich schon die Tonleiter eigenen Akkorde.

Quelle: wikipedia

Es ergeben sich Akkorde mit folgender Bezeichnung:

Stufe I: C
Stufe II: Dm
Stufe III: Em
Stufe IV: F
Stufe V: G
Stufe VI: Am
Stufe VII: H verm.
Stufe VIII = Stufe I

Dies sind die Bausteine für unsere improvisierte Liedbegleitung. Nichts anderes sind Improsongs im Improtheater. Eine Grundregel sei vorweg noch erklärt. Die Beziehung der Stufe I und Stufe V ist am prägnantesten. Stufe V (G) wird auch als Dominante bezeichnet und führt immer wieder zu Stufe I (C), der Tonika, zurück. Oft wird die V auch mit einer kleinen Septime erweitert und wird damit zum Dominant-Sept-Akkord G7. Auch ist zu berücksichtigen, dass jeder Akkord die Dominante einer Tonart sein kann. Meist in Dur und noch verstärkerter mit der kleinen Septime als Dominant-Septakkord. Zu meinem Beispiel. Hier die Übersicht:

Teil A
||: C | Em | F | G7 :||

Teil B
||: C | F | Am | G7 | :||


Teil A könnte als Strophe fungieren, Teil B als Refrain. Die Kombinationen, die ich gewählt habe stammen einzig aus den Tonleiter eigenen Akkorden. Das G7 am Ende fürt wieder zum Anfang der Schleife, auch Turn-Arounds genannt. Das macht es den Improspielern leicht, zu merken, wo der Anfang und wann eine Schleife vorbei ist. Auch im B-Teil habe ich auf Eindeutigkeit geachtet. So ist der Refrain nur eine kleine Abwandlung der Strophe. Will man es unerfahrenen Improspielern leichter machen, spielt man die Dominante (oder Stufe V des Folgeakkords) sogar bis zu einem oder zwei Takten lang. Da die kleine Septime so sehr nach Auflösung drängt, weiß eigentlich jeder, welcher Akkord folgen muss. Das haben wir bereits bei den einfachsten Volks- und Kinderliedern gelernt und ist kaum aus unseren Hirnen zu streichen.

Ein weiteres Beispiel


Teil A
||: Am | Em | F | G :||

Teil B
||: C | Dm | G | C :||

Hier habe ich mit der Stufe VI begonnen und es existiert auf den ersten Blick nicht wirklich die V-I-Verbindung. Da Am jedoch die parallele Moll-Tonart von C-Dur ist, mit den selben (fehlenden) Vorzeichen, sind sie verwand. G ist immer noch ein geschmeidiger Übergang zu Am, da die Akkorde immer noch Tonleiter eigen sind. Will man es ganz klassisch genau nehmen, könnte man auch G ersetzen mit der Stufe V der Tonart a-moll, aber das würde hier zu weit führen. E ist dann die Dominante in Am und führt noch eindeutiger zurück zur Tonika, der Stufe I. Wir bleiben aber bei C-Dur. In Teil B beginne ich mit C. Das passt hervorragend zum Teil A, da er mit G, also der Stufe V, endet. Diese führt laut Theorie perfekt zur Stufe I, C-Dur. Es schließt sich eine Kombination aus I-II-V-I an. Diese Verbindung ist widerum sehr beliebt in Jazz, Pop, Schlager und vielen anderen Genres. Auch hier gibt es wieder eine V vor der I und alle Akkorde sind Leiter eigen.

Es sind sehr viele Kombinationen nur mit dieser einen Tonart möglich. Sie ist in allen Stilen verwendbar. Man muss nur das Begleitpattern anpassen oder, falls ihr mit Begleitautomatik eines Keyboards spielt, einfach mit anderen Styles zu spielen.

In andere Tonarten wechseln


Das ist recht einfach. Wir müssen nur die Beziehung der Stufe I und V beachten. Da die V immer zur I führt, können wir theoretisch aus jedem Akkord eine Dominante machen. Ein Beispiel:

C-Dur: C | Dm | G | Am  -   (D-Dur) A7 | D | Em | A | D

Aus der Stufe VI von C-Dur (a-moll) mache ich einfach ein A-Dur. A-Dur ist die Stufe V von D-Dur. Damit ist der Weg bereitet für den Tonartwechsel zu D-Dur. Dies kann innerhalb eines Turnarounds oder beim improvisieren von zwei verschieden musikalischen Teilen interessant sein. Ein einfaches Hilfsmittel.

Probiert es aus. Es gibt viel zu entdecken. Aber denkt dran: Selbst wenn ihr diese Kadenzen übt, improvisiert auf der Bühne und bleibt nicht in Schleifen stecken, die ihr dann aus einer Unsicherheit heraus immer wieder spielt. Das langweilt schnell alle. Vor allem Euch selbst! Um neue Kadenzen zu entdecken, improvisiert nicht nur, sondern spielt Kompositionen und schaut, was interessant und spannend klingt.




Dienstag, 5. März 2013

Grenzen für Freiheit

Improvisation bedeutet für viele Menschen Freiheit. Doch wenn man sich die Arten der freien Kunst einmal ansieht, stellt man schnell fest, dass es für viele Grenzen gibt, in denen sich entfaltet wird. Ich merke jedes Mal bei meinen Hear and Now Konzerten, dass ich mir selbst Grenzen setze und setzen muss. Eine völlig freie Impro, wie etwa im Free Jazz, ist nicht immer mein Ziel. Ich merke an mir selbst, wie ich in Harmoniemodellen während des Spielens denke. Vor allem in den Feldern, wo die Improvisation nicht sehr atonal und abstrakt klingt. Unweigerlich folge ich Regeln der Harmonielehre. Wird es mir dann zu unbunt, breche ich dieses Muster und lasse ein neues entstehen. Der Kern der Improvisation, je weniger Regeln sie folgt, ist der Bruch. Aufbau und Bruch, neuer Aufbau und wieder Bruch. Zwischendurch gibt es Felder, die gleichmäßig sind und sich wenig verändern.

Ich überlege immer wieder neu, wie ich Neulingen und Schülern die Improvisationstechniken näher bringe. Es gibt viele Herangehensweisen, hunderte Theorien und noch mehr Bücher darüber. Das Wichtigste ist, meiner Meinung nach, dass man sich selbst während des Spiels noch hört und nicht ganz in seinem theorietischen Konstrukt in seinem Kopf bleibt. Sonst ist kein Flow möglich. Es ist immer eine Art Meditation und ein Weg.

Quelle: wikipedia.org
Eine Herangehensweise sind oben beschriebene Grenzen. Wenn ich erst einmal ein kleines überschaubares Feld habe, das ich aus dem Stegreif bearbeiten kann, fühle ich mich nicht so überfordert von der ganzen Freiheit. Somit setze ich Instrumentalisten bewusst musikalische Grenzen. Die einfachste Form der Improvisation ist die melodische auf den schwarzen Tasten des Klaviers, sprich die Pentatonik. Der Klang erinnert die meisten an asiatische Musik. In der Tat folgen viele Musikarten außerhalb der modernen europäischen Musik dem Muster der Pentatonik. Ich gebe dem Schüler zunächst die Aufgabe nur die beiden schwarzen Tasten, die nebeneinander liegen zu nutzen (also c# und d#). Außerdem spiele ich ein Call-and-Response. Ich beginne mit einer musikalischen Frage, der Schüler antwortet mit seinen zwei Tasten. Damit ist dem Chaos noch weiter Einhalt geboten. Im nächsten Schritt probiere ich die drei schwarzen Tasten (also f#, g#, a#). Nun ist schon ein Ton mehr im Vorrat. Auch können alle Zwillinge und Drillinge auf der ganzen Tastatur genutzt werden. Und schließlich alle schwarze Tasten. Dazu spiele ich eine Kadenz in F#-Dur, in der eben die Schwarzen Tasten am meisten klingen. Was erreiche ich damit? Die Improvisation wird nicht sofort atonal. Sie bewegt sich innerhalb einer Tonleiter. Die Begleitung klingt vertraut für das westliche Ohr. Im Grunde sind nur mit mehr als zwei oder drei Tasten kleine Melodien möglich. Davor bleiben es wenig Töne, die mehr oder weniger nur rhythmisch variiert werden können. Auf den gesamten schwarzen Tasten sieht es schon anders aus.

Gehen wir einen Schritt weiter, erkläre ich den Grundaufbau von Akkorden. Falls das noch zu früh für den Schüler sein sollte, ist der Aufbau nicht so wichtig. Ich finde aber, die Kenntnis der Stufentheorie sollte jeder Musikschüler haben. Es genügt, wenn man Griffe zeigt. In der Grundstellung ist der C-Dur Akkord dann c e g, den man gut mit der linken Hand mit 5., 3., 1. Finger greifen kann. Schiebt man nun diesen Griff runter auf a, erhält man automatisch die Grundstellung des A-moll Akkords. Weiter zum f dann den F-Dur und beim g den G-Dur Akkord. Es entsteht mit nur einer Handhaltung eine Kadenz, die jeder schon einmal gehört haben dürfte: C Am F G. Viele Popsongs wurden und werden immer noch mit dieser Akkordfolge geschrieben. Die Comedygruppe "Axis of awesome"haben das mal schön in ihrem Programm gezeigt:



Die einfachste Art ist nun die rhythmische Improvisation auf der Grundtönen der Akkorde, also c, a, f, g. Damit sind noch keine Melodien möglich. Die Erweiterung besteht aus dem Tonvorrat der Akkorde. Damit bekommt jeder Akkord schon einmal drei Töne. Da sie aber in Abständen auseinander liegen, ist auch dies noch keine befriedigende Lösung zum improvisieren einer Melodie. Es klingt etwas nach "Waldhornmusik", wie ich immer sage. Durch die Intervalle bzw. Tonsprünge klingt es so.

Ich gehe einen Schritt weiter und frage nach den ersten drei Tönen der jeweilig zum Akkord passenden Tonleiter. Damit haben wir folgenden Tonvorrat:

C-Dur:  c d e
A-moll: a h c 
F-Dur: f g a
G-Dur: g a h

Durch den Zusammenhang der ersten drei Töne einer Tonleiter sind nun eher Melodien möglich. Wechsle ich die Akkorde direkt hintereinander, kann man gut die verschiedene Töne auf kurzem Weg zu einem Melodiebogen verdinden. Wenn man mag, können auch die fehlenden Quinten noch dazu genommen werden. Dann hat man sogar noch mehr Töne. Oder gleich die ersten fünf Töne der Tonleitern.
Immer unter der Prämisse: Akkorde sind Skalen! Der klingende Akkord gibt also schon vor, was wohl ganz gut dazu passen kann.

Als weiteren Schritt kann man noch in die Transponierung bzw. Imitation gehen. Der Schüler spielt eine kleine Melodie mit den ersten drei Tönen der Tonleiter auf C-Dur, die er sich allerdings auch merken sollte. Auf der A-moll Stufe wird diese Melodie dann einfach wiederholt. Die rhythmische Figur bzw. die Stufen bleiben also die gleichen, nur die Töne sind anders. Damit hat mein ein kleines Motiv erfolgreich transponiert auf die jeweilige Stufe. Eine Technik, die auch im Songwriting oft genutzt wird.

Die Grenzen dann zu öffnen und zu erweitern oder vielleicht ganz zu lösen, steht jedem frei. Für Anfänger, die noch sehr unsicher sind und fragen "Ich soll einfach irgendwas spielen?" ist dies eine Hilfe. Wenn sie Spaß an der Grenze und am eigenen Spiel gefunden haben, stehen den folgenden Erweiterungen nichts mehr im Weg. Sie sollen sich einfach zuhören. EinTipp, der manchmal auch noch weiterhilft: Der Schüler soll Melodien spielen, die er nachsingen könnte. Damit ist man auf einem guten Weg zu einer guten Melodie. Ob es dann auch für alle Beteiligten gut ist, muss man einfach ausprobieren. Improvisation lernt man nur über die Praxis!

Das nächste Hear and Now Konzert spiele ich am 24.03. um 20 Uhr in der Brotfabrik Berlin. Infos gibt es hier.