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Sonntag, 3. November 2013

Kleine Grundlage für Impromusiker

Mich haben schon öfters Musiker, die beim Improtheater die Musik machen, gefragt, was sie spielen sollen oder was sie noch anders machen können, wenn sie Lieder improvisieren. Was sie spielen sollen, habe ich ihnen natürlich nicht gesagt. Immerhin widerspräche das der Natur der Improvisation. Aber ich habe weniger erfahrenen Musikern immer nahegelegt, sich mit der Stufentheorie zu beschäftigen. Diese hier im Detail zu erklären würde zu weit führen. Ich möchte es kurz machen und ein kleines Beispiel bringen.

Wir nehmen der Einfachheit halber die Tonart C-Dur. Die Tonleiter wird aus diesen Tönen gebildet:

c d e f g a h c

Jeder Ton entspricht einer Stufe, die durch nummeriert wird. C ist Stufe I. D Stufe II usw.

Quelle: wikipedia
Daraus kann man Tonleiter eigene Akkorde bauen. Auf dem Klavier sieht das am einfachsten aus und ist gut nachzuvollziehen. Lässt man eine weiße Taste frei, so ergeben sich schon die Tonleiter eigenen Akkorde.

Quelle: wikipedia

Es ergeben sich Akkorde mit folgender Bezeichnung:

Stufe I: C
Stufe II: Dm
Stufe III: Em
Stufe IV: F
Stufe V: G
Stufe VI: Am
Stufe VII: H verm.
Stufe VIII = Stufe I

Dies sind die Bausteine für unsere improvisierte Liedbegleitung. Nichts anderes sind Improsongs im Improtheater. Eine Grundregel sei vorweg noch erklärt. Die Beziehung der Stufe I und Stufe V ist am prägnantesten. Stufe V (G) wird auch als Dominante bezeichnet und führt immer wieder zu Stufe I (C), der Tonika, zurück. Oft wird die V auch mit einer kleinen Septime erweitert und wird damit zum Dominant-Sept-Akkord G7. Auch ist zu berücksichtigen, dass jeder Akkord die Dominante einer Tonart sein kann. Meist in Dur und noch verstärkerter mit der kleinen Septime als Dominant-Septakkord. Zu meinem Beispiel. Hier die Übersicht:

Teil A
||: C | Em | F | G7 :||

Teil B
||: C | F | Am | G7 | :||


Teil A könnte als Strophe fungieren, Teil B als Refrain. Die Kombinationen, die ich gewählt habe stammen einzig aus den Tonleiter eigenen Akkorden. Das G7 am Ende fürt wieder zum Anfang der Schleife, auch Turn-Arounds genannt. Das macht es den Improspielern leicht, zu merken, wo der Anfang und wann eine Schleife vorbei ist. Auch im B-Teil habe ich auf Eindeutigkeit geachtet. So ist der Refrain nur eine kleine Abwandlung der Strophe. Will man es unerfahrenen Improspielern leichter machen, spielt man die Dominante (oder Stufe V des Folgeakkords) sogar bis zu einem oder zwei Takten lang. Da die kleine Septime so sehr nach Auflösung drängt, weiß eigentlich jeder, welcher Akkord folgen muss. Das haben wir bereits bei den einfachsten Volks- und Kinderliedern gelernt und ist kaum aus unseren Hirnen zu streichen.

Ein weiteres Beispiel


Teil A
||: Am | Em | F | G :||

Teil B
||: C | Dm | G | C :||

Hier habe ich mit der Stufe VI begonnen und es existiert auf den ersten Blick nicht wirklich die V-I-Verbindung. Da Am jedoch die parallele Moll-Tonart von C-Dur ist, mit den selben (fehlenden) Vorzeichen, sind sie verwand. G ist immer noch ein geschmeidiger Übergang zu Am, da die Akkorde immer noch Tonleiter eigen sind. Will man es ganz klassisch genau nehmen, könnte man auch G ersetzen mit der Stufe V der Tonart a-moll, aber das würde hier zu weit führen. E ist dann die Dominante in Am und führt noch eindeutiger zurück zur Tonika, der Stufe I. Wir bleiben aber bei C-Dur. In Teil B beginne ich mit C. Das passt hervorragend zum Teil A, da er mit G, also der Stufe V, endet. Diese führt laut Theorie perfekt zur Stufe I, C-Dur. Es schließt sich eine Kombination aus I-II-V-I an. Diese Verbindung ist widerum sehr beliebt in Jazz, Pop, Schlager und vielen anderen Genres. Auch hier gibt es wieder eine V vor der I und alle Akkorde sind Leiter eigen.

Es sind sehr viele Kombinationen nur mit dieser einen Tonart möglich. Sie ist in allen Stilen verwendbar. Man muss nur das Begleitpattern anpassen oder, falls ihr mit Begleitautomatik eines Keyboards spielt, einfach mit anderen Styles zu spielen.

In andere Tonarten wechseln


Das ist recht einfach. Wir müssen nur die Beziehung der Stufe I und V beachten. Da die V immer zur I führt, können wir theoretisch aus jedem Akkord eine Dominante machen. Ein Beispiel:

C-Dur: C | Dm | G | Am  -   (D-Dur) A7 | D | Em | A | D

Aus der Stufe VI von C-Dur (a-moll) mache ich einfach ein A-Dur. A-Dur ist die Stufe V von D-Dur. Damit ist der Weg bereitet für den Tonartwechsel zu D-Dur. Dies kann innerhalb eines Turnarounds oder beim improvisieren von zwei verschieden musikalischen Teilen interessant sein. Ein einfaches Hilfsmittel.

Probiert es aus. Es gibt viel zu entdecken. Aber denkt dran: Selbst wenn ihr diese Kadenzen übt, improvisiert auf der Bühne und bleibt nicht in Schleifen stecken, die ihr dann aus einer Unsicherheit heraus immer wieder spielt. Das langweilt schnell alle. Vor allem Euch selbst! Um neue Kadenzen zu entdecken, improvisiert nicht nur, sondern spielt Kompositionen und schaut, was interessant und spannend klingt.




Samstag, 30. März 2013

Zimmer dir 'nen Soundtrack - Filmmusik für Dummies

Seit Jahren ist ein Trend in Hollywood, vor allem bei epischen Filmen, wie Herr der Ringe, Batman, Gladiator, Fluch der Karibik, Inception oder Snow White and the Huntsman zu beobachten. Komponisten sind Hans Zimmer, James Horner, James Newton Howard und viele andere, die eines verbindet: Ihre Liebe zum großen Orchester und dem Leitmotiv. Jenes Stück Musik, dass uns den ganzen Film über begleitet. Mal dramatisch und groß, mal zart und im Hintergrund. Musiker, wie Richard Wagner oder Hector Berlioz sind schon vor einigen Jahrzehnten dafür bekannt gewesen, diese Technik in ihren Werken zu nutzen. Dabei ist es eigentlich ganz einfach: Man nehme eine kleine Melodie und lasse sie immer wieder auftauchen und eben "leiten". Wer kennt nicht die Melodie von "Herr der Ringe" oder "Starwars"? Diese Technik wird nach wie vor in Filmen genutzt. Und mehr noch: Das Motiv wird mit einem großen Orchester quasi aufgepumpt. Viele Streicher, Bläser kombiniert mit Schlagwerk und Chören sind in Mittelalter-Filmen, wie in Phantasy-Streifen zu hören. Ausschlaggebend für den Artikel ist dieses Video mit Hans Zimmer auf youtube. Er spricht darin über sein Verständnis von Harmonik. Seine Grundthese ist: Lass alles in der Schwebe, sei nicht eindeutig in den Akkorden und mache bewusst Fehler, die in der klassischen Harmonielehre verpönt sind. Am Ende des Artikels soll das durch das Austauschen von Akkorden verdeutlicht werden.


Ich möchte versuchen die Analyse so zu machen, dass man sie als Laie und als Musiker versteht. Das wird sicher ein paar Begriffsschwierigkeiten mit sich bringen. Letztlich kommt es aber darauf an, es zu hören.

Wie baut man sich seinen Soundtrack? -
Über Tonleitern und Akkorde

Ich habe für diesen Artikel mal einen kleinen drei Minuten Beispiel Track produziert und seziert. Damit könnt Ihr auch als Nichtmusiker versuchen nachzuvollziehen, was eigentlich passiert in solchen Filmscores. Man verzeihe mir, dass ich beim Mixing und Mastering nicht ganz so genau gearbeitet habe. Hier könnt Ihr euch den ganzen Track einmal in voller Länge anhören:



Hier ist auch ein Screenshot des Arrangements, wie ich es im Aufnahmeprogramm angelegt habe. Ohne Noten lesen zu können, kann man hieran gut sehen, wann was im Stück einsetzt und wann zusammen spielt. Das ist quasi die Partitur, der Fahrplan, den der Dirigent oder die Musiker sonst so vor sich haben.

Arrangement in Cubase
Tonleiter, Stufen, Melodie

Grundlegend ist in der Musik die Harmonielehre. Es würde zu weit führen hier eine umfassende Einführung zu geben. Die ist auch nicht nötig. Man muss nur verstehen, was eine Tonleiter und ein Akkord ist.

Eine Tonleiter besteht, wie eine Leiter auch, aus Einzeltönen - man könnte auch Sprossen oder Stufen sagen. Nach einem bestimmten Bauplan entstehen die Tonarten. Aus einer Tonleiter - z.B. C-Dur - ergeben sich die Töne
c d e f g a h c

Damit kann man Melodien bzw. können wir unser Leitmotiv basteln.

Ich habe für mein Beispiel die Tonart g-moll gewählt. Es gibt quasi zwei Motive bzw. Themen. Ich habe beide einmal mit Klavier gespielt und sie Thema 1 und 2 genannt, damit man es pur raushören kann.

Thema 1


Thema 2


Die Themen werden im kompletten Stück vom Chor und von Streichern gespielt. Sie spielen ein und die selbe Melodie.

Die Begleitung - Akkorde

Schichtet man mindestens drei Töne übereinander, erhält man einen Akkord bzw. Harmonie.  Die Tongeschlechter Dur und Moll entstehen aus den unterschiedlichen Abständen der Töne innerhalb eines Akkords. Im Volksmund sagt man Dur klinge eher fröhlich positiv und moll eher traurig und dunkel. Bleiben wir mal bei der Unterscheidung, auch wenn ich kein Freund davon bin. Durch die Schichtung von Tönen über den einzelnen Tönen der Tonleiter entstehen Akkorde, die verwandt miteinander sind und bestimmte Funktionen im Stück erfüllen. Nach den Regeln der Harmonielehre bastelt man dann eine Kombination von Akkorden zusammen und erhält somit die Grundlage für unser Leitmotiv. Hierzu kann man sich die Tonleiter nehmen und nach der sogenannten Stufentheorie Akkorde kombinieren.

Ich habe für mein Beispiel folgende Akkordverbindungen gewählt:

Thema 1 - Gm Bb Eb F | Gm Eb F F
Thema 2 - Cm Ab Eb G | Cm Ab Eb G/H D/A

Die Akkorde - Das Orchester

Bei meinen Aufnahmen habe ich unter anderem mit virtuellen Instrumenten von Cinesamples gearbeitet. Diese Firma hat sich auf Software-Instrumente für den Film- und Fernsehbereich spezialisiert. Die Orchesterklänge stammen vom CineOrchestra 2.0 Instrument. Die Streichermelodie sind die Session Strings Pro von Native Instruments, der Chor stammt aus der Library von Kontakt 5.

Das Instrument wurde in drei Sektionen eingeteilt. Das wird in diesem Demovideo erläutert. Akkorde sind komplett gesampelt, so das eine Taste schon bereits die fehlenden Töne mitklingen lässt und die Harmonien schon fertig sind. Man kann also noch mehr in Stufen denken.



Low Chords

Ich bin beginne mein Beispiel mit den Low Chords. Also tiefe, dunkle Akkorde. Man hört zunächst die Begleitung für Thema 1, dann für Thema 2.


Tiefe, lange Töne und Flächen erzeugen Spannung im Film. Oft ist es sogar nur ein sehr tiefer Ton, der liegen bleibt.

Diese Akkorde werden bis zum Ende immer wiederholt. Nur die Lautstärke (Dynamik) ändert sich. Es folgen auf den Low Chords die beiden Themen gesungen vom Chor und später unterstützt von den Streichern.

Tutti Chords

Um dem ganzen noch mehr Steigerung zu verleihen, kommen im Laufe des Stücks immer mehr Instrumente hinzu. So hört man ab 1:26 zusätzliche Streicher und Bläser in den Akkorden, die sogannten Tutti Chords (itl. "tutti" = alle). Das gesamte Orchester spielt also die Akkorde zusammen. Gemeinsam mit den Low Chords klingt die Steigerung also so:

Dadurch, dass nun auch höhere Lagen gespielt werden, klingt es insgesamt heller und lauter.

Tutti Octaves

Ab 1:55 min werden vom Orchester auch die Töne gedoppelt und in Oktaven gespielt, die schon grundlegend für die Low Chords und Tutti Chords sind. Damit wirkt das Ganze nun noch fetter, vor allem, weil das Blech nun sehr deutlich laut zu hören ist. Das sind vor allem Trompeten und Posaunen. Die Tutti Octaves klingen so:



Schlagwerk

Was noch fehlt zum perfekten Soundtrack ist das Schlagwerk Wer erinnert sich nicht an Trommelgewitter beim letzten Kriegsepos oder den Angriff der Römer auf eine Stadt? Cinesamples hat dafür eigens ein Instrument entwickelt namens Drums of War. Der Titel sagt eigentlich schon alles. Das Instrument ist eine Sammlung von verschiedenen Trommeln und Percussioninstrumenten. Sehr beliebt bei Filmmusikern sind die großen japanischen Taikotrommeln oder SubDrums. Beide habe ich verwendet im Beispiel. Die Sub Drum beginnt mit einem tiefen Basston. Die Taikos sind die lauter werdenden Trommelwirbel, die mit einem Beckenschlag beendet werden.




Nur immer das selbe oder doch was anderes?

Hans Zimmer spricht in dem anfangs erwähnten Video davon, den Sound möglichst nicht eindeutig zu machen und lange in der Schwebe zu lassen. Auch die Wahl eines der Theorie nach falschen Akkords in einer Folge, ist mittlerweile typisch Hollywood. Die Low Chords tauchen in Filmen oft immer wieder leise im Hintergrund von Szenen auf. Aber nicht unbedingt die selben, wie im präsenten großen Leitmotiv. Oft sind sie leicht verändert. Das geschieht ganz einfach, indem der Akkord umgeschichtet wird. Ein Beispiel:

Der Ausgangsakkord (hier Gm)  ist aufgebaut aus

D
Bb
G

Man tauscht nun einfach die Töne und stellt sie um, erhält man folgende Möglichkeiten:

G  | Bb
D  | G
Bb  | D

Es ist zwar immer noch der Gm-Akkord, doch ist nun im Bass nicht der Grundton G, sondern das B. Man könnte ihn nun als Gm/B oder als Bb6 bezeichnen. Der Akkord klingt nun ein klein wenig anders, das Motiv passt aber immer noch darüber.

Ich habe ein Beispiel gemacht, in dem ich die oben bereits gehörten Low Chords alle durch solche Ersetzungen ausgetauscht habe. Es ist die selbe Folge und widerum doch nicht. Hört selbst:



Nun noch einmal mit den Themen darüber. Etwas andere Begleitung, funktioniert aber trotzdem.



Zum Vergleich nochmal die erste Version der Low Chords mit dem Thema darüber:


Man hört, dass kleine Veränderung erstmal neu wirken, aber dadurch, dass nur eine Kleinigkeit verändert wurde, schwebt der Klang. Er ist offen und anders und dennoch passt das Leitmotiv darüber und kann so immer wieder im Film auftauchen. Immer in etwas anderer Form, aber es wird sich einbrennen.

Fazit

Ich kann nicht behaupten, mich mit Hollywood-Musikern vergleichen zu können, aber die Zutaten für einen Epos-Soundtrack sind denkbar einfach. Im Grunde geht es um den fetten Orchesterklang mit viel Blech und viel Fundament. Dazu epische Chöre, die das ganze so sakral werden lassen. Je nach Genre kommen noch regionale Instrumente dazu, wie Dudelsack oder Flöten. Der Chor kann auch durch einen sehr hohen klaren Sopran einer Sängerin oder durch die tiefen Kirchenchöre ersetzt werden. Eine Orgel könnte eine Rolle spielen. Es geht um den Teppich und um ein Leitmotiv. Wie einfach das sein kann, hab ich versucht zu zeigen. Letztlich wäre das aber nicht möglich gewesen, ohne die virtuellen Instrumente, die quasi all diese Theorie schon beinhalten und in Software herunter gebrochen haben. Allein die Aufteilung der Tastatur innerhalb des Software Instruments sagt schon alles über die Machart dieser Art von Filmmusik. Ich möchte aber betonen, dass ich für diesen Artikel nicht von den genannten Firmen gekauft wurde. Ich möchte Euch nur zeigen, womit ich arbeite. Das frage ich mich bei vielen Stücke selbst oft. Daher sollte es nur ein Hinweis sein.

Wenn Ihr Fragen habt, schreibt mir gern einen Kommentar. Ich habe im Artikel nicht alles im Detail oder verständlich für alle erklären können. Um so spannender kann eine Diskussion im Nachhinein sein. Ich freue mich auf Eure Gedanken dazu. Und wenn Ihr das nächste Mal einen Film schaut, hört doch mal, ob Ihr ein Leitmotiv erkennt. ;)

Und hier nochmal das Ausgangsstück, damit Ihr nicht hoch scrollen müsst...




Dienstag, 5. März 2013

Grenzen für Freiheit

Improvisation bedeutet für viele Menschen Freiheit. Doch wenn man sich die Arten der freien Kunst einmal ansieht, stellt man schnell fest, dass es für viele Grenzen gibt, in denen sich entfaltet wird. Ich merke jedes Mal bei meinen Hear and Now Konzerten, dass ich mir selbst Grenzen setze und setzen muss. Eine völlig freie Impro, wie etwa im Free Jazz, ist nicht immer mein Ziel. Ich merke an mir selbst, wie ich in Harmoniemodellen während des Spielens denke. Vor allem in den Feldern, wo die Improvisation nicht sehr atonal und abstrakt klingt. Unweigerlich folge ich Regeln der Harmonielehre. Wird es mir dann zu unbunt, breche ich dieses Muster und lasse ein neues entstehen. Der Kern der Improvisation, je weniger Regeln sie folgt, ist der Bruch. Aufbau und Bruch, neuer Aufbau und wieder Bruch. Zwischendurch gibt es Felder, die gleichmäßig sind und sich wenig verändern.

Ich überlege immer wieder neu, wie ich Neulingen und Schülern die Improvisationstechniken näher bringe. Es gibt viele Herangehensweisen, hunderte Theorien und noch mehr Bücher darüber. Das Wichtigste ist, meiner Meinung nach, dass man sich selbst während des Spiels noch hört und nicht ganz in seinem theorietischen Konstrukt in seinem Kopf bleibt. Sonst ist kein Flow möglich. Es ist immer eine Art Meditation und ein Weg.

Quelle: wikipedia.org
Eine Herangehensweise sind oben beschriebene Grenzen. Wenn ich erst einmal ein kleines überschaubares Feld habe, das ich aus dem Stegreif bearbeiten kann, fühle ich mich nicht so überfordert von der ganzen Freiheit. Somit setze ich Instrumentalisten bewusst musikalische Grenzen. Die einfachste Form der Improvisation ist die melodische auf den schwarzen Tasten des Klaviers, sprich die Pentatonik. Der Klang erinnert die meisten an asiatische Musik. In der Tat folgen viele Musikarten außerhalb der modernen europäischen Musik dem Muster der Pentatonik. Ich gebe dem Schüler zunächst die Aufgabe nur die beiden schwarzen Tasten, die nebeneinander liegen zu nutzen (also c# und d#). Außerdem spiele ich ein Call-and-Response. Ich beginne mit einer musikalischen Frage, der Schüler antwortet mit seinen zwei Tasten. Damit ist dem Chaos noch weiter Einhalt geboten. Im nächsten Schritt probiere ich die drei schwarzen Tasten (also f#, g#, a#). Nun ist schon ein Ton mehr im Vorrat. Auch können alle Zwillinge und Drillinge auf der ganzen Tastatur genutzt werden. Und schließlich alle schwarze Tasten. Dazu spiele ich eine Kadenz in F#-Dur, in der eben die Schwarzen Tasten am meisten klingen. Was erreiche ich damit? Die Improvisation wird nicht sofort atonal. Sie bewegt sich innerhalb einer Tonleiter. Die Begleitung klingt vertraut für das westliche Ohr. Im Grunde sind nur mit mehr als zwei oder drei Tasten kleine Melodien möglich. Davor bleiben es wenig Töne, die mehr oder weniger nur rhythmisch variiert werden können. Auf den gesamten schwarzen Tasten sieht es schon anders aus.

Gehen wir einen Schritt weiter, erkläre ich den Grundaufbau von Akkorden. Falls das noch zu früh für den Schüler sein sollte, ist der Aufbau nicht so wichtig. Ich finde aber, die Kenntnis der Stufentheorie sollte jeder Musikschüler haben. Es genügt, wenn man Griffe zeigt. In der Grundstellung ist der C-Dur Akkord dann c e g, den man gut mit der linken Hand mit 5., 3., 1. Finger greifen kann. Schiebt man nun diesen Griff runter auf a, erhält man automatisch die Grundstellung des A-moll Akkords. Weiter zum f dann den F-Dur und beim g den G-Dur Akkord. Es entsteht mit nur einer Handhaltung eine Kadenz, die jeder schon einmal gehört haben dürfte: C Am F G. Viele Popsongs wurden und werden immer noch mit dieser Akkordfolge geschrieben. Die Comedygruppe "Axis of awesome"haben das mal schön in ihrem Programm gezeigt:



Die einfachste Art ist nun die rhythmische Improvisation auf der Grundtönen der Akkorde, also c, a, f, g. Damit sind noch keine Melodien möglich. Die Erweiterung besteht aus dem Tonvorrat der Akkorde. Damit bekommt jeder Akkord schon einmal drei Töne. Da sie aber in Abständen auseinander liegen, ist auch dies noch keine befriedigende Lösung zum improvisieren einer Melodie. Es klingt etwas nach "Waldhornmusik", wie ich immer sage. Durch die Intervalle bzw. Tonsprünge klingt es so.

Ich gehe einen Schritt weiter und frage nach den ersten drei Tönen der jeweilig zum Akkord passenden Tonleiter. Damit haben wir folgenden Tonvorrat:

C-Dur:  c d e
A-moll: a h c 
F-Dur: f g a
G-Dur: g a h

Durch den Zusammenhang der ersten drei Töne einer Tonleiter sind nun eher Melodien möglich. Wechsle ich die Akkorde direkt hintereinander, kann man gut die verschiedene Töne auf kurzem Weg zu einem Melodiebogen verdinden. Wenn man mag, können auch die fehlenden Quinten noch dazu genommen werden. Dann hat man sogar noch mehr Töne. Oder gleich die ersten fünf Töne der Tonleitern.
Immer unter der Prämisse: Akkorde sind Skalen! Der klingende Akkord gibt also schon vor, was wohl ganz gut dazu passen kann.

Als weiteren Schritt kann man noch in die Transponierung bzw. Imitation gehen. Der Schüler spielt eine kleine Melodie mit den ersten drei Tönen der Tonleiter auf C-Dur, die er sich allerdings auch merken sollte. Auf der A-moll Stufe wird diese Melodie dann einfach wiederholt. Die rhythmische Figur bzw. die Stufen bleiben also die gleichen, nur die Töne sind anders. Damit hat mein ein kleines Motiv erfolgreich transponiert auf die jeweilige Stufe. Eine Technik, die auch im Songwriting oft genutzt wird.

Die Grenzen dann zu öffnen und zu erweitern oder vielleicht ganz zu lösen, steht jedem frei. Für Anfänger, die noch sehr unsicher sind und fragen "Ich soll einfach irgendwas spielen?" ist dies eine Hilfe. Wenn sie Spaß an der Grenze und am eigenen Spiel gefunden haben, stehen den folgenden Erweiterungen nichts mehr im Weg. Sie sollen sich einfach zuhören. EinTipp, der manchmal auch noch weiterhilft: Der Schüler soll Melodien spielen, die er nachsingen könnte. Damit ist man auf einem guten Weg zu einer guten Melodie. Ob es dann auch für alle Beteiligten gut ist, muss man einfach ausprobieren. Improvisation lernt man nur über die Praxis!

Das nächste Hear and Now Konzert spiele ich am 24.03. um 20 Uhr in der Brotfabrik Berlin. Infos gibt es hier.

Sonntag, 24. Februar 2013

Musik Apps auf dem iPad Teil 2 - Chordbot

Im zweiten Teil meiner Vorstellungsrunde für iPad Musik Apps geht es um das Songwriting. Das Prinzip von Chordbot ist einfach und schnell erklärt. Man hat die Möglichkeit Akkorde einzufügen und zu bestimmen, wie lang sie erklingen sollen. Eine richtig große Auswahl an Harmonien von Major7 über 6/9 bis zu verminderten Akkorden und noch vielen anderen Erweiterungen setzt den Kadenzen kaum Grenzen. Außerdem kann man wählen, in welcher Lage und Akkordstellung die Harmonie erklingen soll. Ein Basston kann separat vom Akkord gewählt werden.

ChordBot - Songansicht

Erklingen? Da wären wir beim Thema Mixer. Im gleichnamigen Menü kann man festlegen, welche Instrumente meine Kadenz wiedergeben sollen. Eine Schlagzeugspur mit Einstellungen wie Soft, Medium, Hard und weiteren Varianten derer, ist genauso möglich wie Rhodes, Piano, Bass oder Gitarre. Aus den voreingestellten Pattern sucht man sich einfach was passendes zum Stil des Songs. Bis zu acht Instrumente kann ich so meine Kadenz spielen lassen.

Chordbot - Mixer
Man darf hierbei nicht vergessen, dass es darum geht, Akkordverbindungen auszuprobieren oder ein Play Along zum Mitspielen schnell zu kreieren. Die Funktion Song-o-matic hilft dabei, schnell so einen Track zu erstellen. Zur Auswahl stehen hier Plain Pop, Justified Jazz und Schoenberg Surprise. Zufällige Kadenzen in verschiedenen Begleitungen, wenn es mal schnell gehen soll. Die Songs können exportiert als Midi, wav oder App eigenes Format bzw. auch direkt per Mail versendet werden.

Ein Beispiel-Loop für die Song-o-matic Funktion bei ChordBot:





Einen eigenen Song würde ich damit nicht produzieren, weil die Pattern ja auch begrenzt Ausdruck ermöglichen und so etwas wenig mit einem echten eigenen Songwriting zu tun hat. Allerdings ist es ein gutes Tool, um Akkordprogressionen auszuprobieren und Ideen festzuhalten. Durch die verschiedenen Instrumente und Patterns hat man eine Menge Möglichkeiten nah an seine innere Idee des Songs heran zu kommen. Später kann man dann noch in einem anderen Programm oder am Instrument arrangieren.

Für Improtheater ist diese App dahingehend interessant, dass man schnell eine Songbegleitung herstellen, worauf man dann Improsongs singen kann. Für die Probe oder vielleicht sogar mal, wenn der Musiker krank ist, eine gute Sache für Auftritte.

Übrigens ist die App nicht nur im AppStore erhältlich, sondern auch für Android Systeme.
Über chordbot.com kommt Ihr zur Herstellerseite.



Montag, 31. Dezember 2012

Ich habe mir lieber zugehört

An vielen Jazzpianisten stört mich, dass sie letztlich nur Skalen, also Tonleitern, wie beim Leistungssport die Klaviatur hoch und runter spielen. Möglichst schnell. Tempo wird damit wichtiger und der einzelne Ton damit unwichtiger. Bei hoher Geschwindigkeit kann das menschliche Gehirn nur noch die Ketten wahrnehmen und nicht mehr den Einzelton, je nach Hörgewohnheit und Gehirnleistungsfähigkeit. Somit können Skalen nur im Gesamten zu Klang werden, nicht aber der einzelne Ton. Wenn einzelne Töne auffallen, dann, weil sie so dissonant sind und das Gehör gar nicht mehr drum rum kommt, sie wahrzunehmen. (Eigentlich müsste man Gehörn sagen, weil letztlich nur das Gehirn hört und das Gehör dazu benutzt.)

Es bleibt die Frage, ob Jazz so unterrichtet wird, das die Virtuosität bzw. die Geschwindigkeit das einzige Mittel ist, sich als guter Jazzer oder besser als andere darzustellen? Sicher, es steckt viel Fleiß dahinter, so geläufig spielen zu können. Aber ich denke nicht, dass die meisten sich auch wirklich mit diesen Fingerübungen ausdrücken wollen. Was sie zu sagen haben, wird hinter rasenden Skalen nicht größer. Vielleicht steckt auch gar nichts dahinter, als der reine sportliche Ehrgeiz, der schnellste zu sein.
Das kann nicht Sinn und Zweck der Sache sein. Aber man kann auch nicht überprüfen, was Absicht und was Clownerie ist an solch einem Konzertabend.

Mixolydische Skala
Quelle: wikimedia.org

Ich unterrichte musikalische Improvisation auch in enger Anlehnung an Jazztheorie. Jedoch gehe ich nicht unbedingt vom Akkordaufbau. Vielmehr geht es, vor allem wenn der Schüler schon jahrelange Spielpraxis von Kompositionen mitbringt, um das Hören. Das Sich-Selbst-Zu-Hören. Allein dieser Ansatz, das Vertrauen auf sein spielerisches Können und das Sich-Trauen, zu spielen, was man in sich selbst hört, genügt schon gut zu improvisieren. Und auch das bezeichne ich als Jazz. Jazz in seinem Grundgedanken versteht sich als freie Musikform, die zu fast jeder Zeit feste Formen sprengen wollte. Hat dies der Jazz geschafft? Nicht wirklich, denn die Musiker haben nur das System erweitert. Mehr zu gelassen. Das bedeutet nichts anderes, als das Lernen von mehr Tönen und Tonleitern. Mehr Zusammenhängen. Das kann man alles tun und vielleicht wird man virtuos und spielt vor der Jazzpolizei und erntet sogar deren Anerkennung mit mäßigem Applaus und einem Vergleich mit der einen oder anderen Jazzgröße. Aber das hat immer noch nichts mit Hören zu tun.

Ich denke, man kann durch die Beschäftigung mit der "klassischen" Jazzschule sein Material erweitern. Möglichkeiten erkennen und Horiztone sehen. Aber man wird auch da feststellen, dass man sich nur ein anderes Korsett zu gelegt hat. Eines, dass man vielleicht etwas weiter stellen kann. Aber es ist auch nur ein weiterer Dialekt der Musiksprache. Versuche im Freejazz noch freier zu werden und sich ganz dem Klang hinzugeben und nicht der musikalischen Struktur führten nicht zu einer großen Freiheitsbewegung beim Publikum. Vielleicht bei den Musikern.

Um an seinem eigenen Stil zu arbeiten, und das kann ein Ziel im künstlerischen Schaffen sein, muss man sich zunächst selbst zu hören und einfach spielen. Grenzen testen und sich vor allem selbst vertrauen. Irgendwann kann man an dem Punkt sein, zu sagen "Das bin ich. Das ist mein Stil. Und es ist Jazz. Meine Auffassung von Jazz".

Warum erzähle ich das alles? Weil ich erkannt habe, dass das, was ich über Improvisation weitergebe und selbst erfahren habe, sich in Büchern über Jazztheorie wiederfindet, ohne dass ich eines dieser Bücher vorher gelesen habe. Es ist die gleiche intuitive Vorgehensweise, die mit Selbstvertrauen in die eigene künstlerische Arbeit zu tun hat. Musik ist nachwievor etwas intuitives und hat etwas mit Gefühl zu tun. Mit Intellekt hat sie etwas zu tun, wenn man wissenschaftlich analysiert, was passiert ist. Die Musikwissenschaft besetzt diese Nische. Durch Analyse zur Erkenntnis zu gelangen ist ein guter Weg. Und es fühlt sich gut an, immer noch Erkenntnisse zu haben und sie in Büchern wieder zu finden. Ich finde diesen Weg äußerst sinnvoll für mich. Andere lesen vorher viele Bücher, lernen viele Tonleitern und Akkorde auswendig, bevor sie sich selbst zuhören. Nur wenige entwickeln dann noch einen eigenen Stil. Im Gegenteil: Man findet sie Skalen hoch und runter rasend in Jazzclubs mit einer "Vorname Nachname + Besetzung"-Bezeichnung. Und das heißt nicht, dass es nicht ein guter Abend werden kann.

Eine Erkenntnis war für mich in den letzten Wochen sehr entscheiden im Nachdenken über das eigene Spiel: Skalen sind im Grunde nichts anderes als Akkorde und Akkorde sind nichts anderes als Skalen. Ich habe jahrelang gedacht: Irgendwann bist du mal so fleißig und lernst alle Skalen auswendig in allen Tonarten und dann sind deine Improvisationen noch ein bisschen mehr Jazz. Ich war nicht nur zu faul dazu, sondern habe es eigentlich aus einem Grund nicht getan: Ich habe nie verstanden, warum ich etwas auswendig lernen muss, um dann erst sagen zu können, was ich sagen will, um erst dann spielen zu können, was ich will.

Ich habe mir lieber zugehört.

--

Wer Lust hat, sich mit der Jazztheorie auseinander zu setzen, dem sei folgendes Buch empfohlen. Es enthält neben gut verständlicher Sprache auch viele Praxisbeispiele, die man nachspielen kann. Um zu Hören, was man verstanden hat ;)


Ein sehr spannender Film über das Leben des Jazzpianisten Michel Petrucciani ist "Leben gegen die Zeit". Sehr bemerkenswert fand ich, dass er sich erst sehr spät für klassische Spieltechnik interessiert hat.