Mittwoch, 13. Mai 2009

Indirekte Beeinflussung durch Publikum während eines Improkonzerts

Ein Improvisationskonzert ist schon ein schmaler Grad. Einerseits möchte man frei im Kopf sein und frei spielen. Andererseits möchte man dem Publikum etwas bieten, was ihm gefallen könnte. Aber genau im letzteren liegt das Problem. Ich habe besonders nach meinem letzten Hear and Now Konzert am 7. Mai gemerkt, dass es mich zunehmend einschränkt während des Spielens an das Publikum und seine Erwartungen zu denken. Das Resultat ist oft ein nichtiges dahin geplänkel irgendwelcher Akkordverbindungen, die nur zum geringen Teil das sagen, was ich sagen möchte.
Nachdem der Großteil des Publikums nach 45 min des Improvisierens auf dem Klavier gegangen war, nicht ohne amüsiert worden zu sein, wagte ich ein Experiment unter Anwesenheit der verbliebenen, meist Freunde. Ich setzte mich für einige Minuten noch einmal ans Instrument. Vorher klärte ich die Verbliebenen auf, dass jetzt der experimentelle Teil käme. Da ich die Konzerte mitschneide, also ein Mikro das Klavier abnimmt, lies ich den Sound über die PA laufen mit Unterstützung von Hall und Delay Effekt. Da es meinem Stil entspricht eher flächige Sounds zu produzieren ist Hall ein idealer Partner in der Klangfindung. Mein Wunsch beim Improvisieren ist es, weg zu kommen von festgefahrenen Strukturen und Akkordverbindungen. Eine Befreiung aus der jahrelang erlernten Form. Ein Schritt in Richtung Atonalität, die spannende Atmosphäre schaffen kann. Ich lies mir vier Zahlen nennen. Diese waren Grundlage meiner Improvisation. Basierend auf der chromatischen Tonleiter ab C. Ich glaube, es war 9, 7, 10 und 8. Sehr eng an einander liegende Töne. Das Resultat mit Unterstützung des Halls war von unglaublich befreiender Wirkung für mich. Eine neue Klangwelt eröffnet sich durch Mut zum Ungewöhnlichen. Mit Freunden im Rücken kam ich fast gar nicht in Verlegenheit an das Publikum zu denken und meinen zu wissen, was es hören will.
Nach etwa 20 Minuten experimentellem Zusatzkonzert wurde mir eines klarer, was ich zwar schon vorher wusste, aber nicht verinnerlicht habe: Die Wirkliche Befreiung und Emanzipation von Clownerie und Zurschaustellung von vermeintlichen technischen Kunststückchen zur Amüsierung des Publikums kann nur durch Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein geschehen. Allein der Moment der Enstehung dieser Musik hat genug Magie, dass ich mich trauen kann in meine eigene expressive Welt einzutauchen und sie auf der Klaviatur zu spiegeln. Das Wagnis eingehen, nicht alle Zuhörer mit meiner Musik und meinem Stil überzeugen zu können. Der ewige Appell, dass Geschmäcker verschieden sind. Mainstream sieht anders aus. Und so kann ich vielleicht mehr Leute davon überzeugen, wenn ich Authentizität wage und mir selbst treu bleibe. Ich muss diese Hürde überwinden. Der erste Schritt wurde am 7. Mai getan. Nach 5 Improvisationskonzerten.
Ich ziehe in Erwägung mit Elektronik zu arbeiten, weil es meine Möglichkeiten erweitert. Nur muss ich dort wieder eine Granze finden, weil zuviel Tätigkeiten vom eigentlichen Produkt ablenken und nicht frei werden lassen.

Das nächste Konzert am 4. Juni wird anders. Mal sehen und hören wie...

Wiedererkennung und Belohnungssystem

Letzten Mittwoch, Paternosters Jackpotshow, Maschinenhaus Kulturbrauerei Berlin

Mehrere Schulklassen waren anwesend. Alter: 16-18 Jahre. Nahezu logischerweise HipHop-Fans dabei.

Unweigerlich kam es zu einem improvisierten Song, der sich zum Hip Hop entwickelte. Sicherlich auch durch meine Rhythmuswahl. Die Spielerin stieg drauf ein und begann zu rappen. Auch die restlichen SpielerInnen bedienten fleißig das Klischee mit Tanzen und Rufen. Das Publikum beginnt mit zu schwingen.

Bis hierhin nichts Ungewöhnliches. Aber....

Als ich für den Refrain den Sound eines "Saw-Brass", wie etwa in der 80iger Van Halen-Nummer "Jump" genutzt, einbrachte, wurden die Jungs in der ersten Reihe hellhörig und wir bekamen mehr Aufmerksamkeit.

Was ist passiert?

Meiner Meinung nach liegt es genau an diesem Sound. Dieser erlebt in der HipHop Musik in den letzten Jahren eine Art Revival. Bestes Beispiel ist die Snoop Doggy Dog Nummer "Drop it like it's hot". Dort wird auch ein solcher Synth-Sound im Refrain benutzt.

Was hier passiert ist, ist nicht nur die Bedienung von Klischees. Ich gebe zu, dass ich dieses HipHop Klischee musikalisch bedient habe. Warum auch nicht?!

Aber: Die Bedienung von Klischees in der improvisierten Musik im Theater bedeutet auch an das Belohnungssystem der Zuschauer und Zuhörer zu appellieren. Musik, die so ähnlich klingt, wie bekannte Songs bildet erstens einen Wiedererkennungseffekt und zweitens eine Art Sicherheit im Hören. Wenn dem Publikum die musiklischen Strukturen klar sind, können sie sich auf den Text, Singmelodie oder Tanz, spricht das Geschehen auf der Bühne neben der Musik vom Synthesizer konzentrieren. Das erlaubt dann eine Lockerheit und die Zuschauer können sich in einer Gelassenheit den Dingen hingeben, die sie nicht erahnen können.

Somit bleiben diese Art von Songs und das Bedienen von Klischees in der Improtheatermusik oft Erfolgsgarantien. Nebenbei bemerkt, muss man Klischees ja nicht immer hundertprozentig ausspielen und mit Niveau können sie auch dargestellt werden, was in der Musik immer wieder, wie auch im Schaupspiel, bewiesen werden kann und von vielen Kollegen bewiesen wird. Gott sei Dank!

Man könnte eine Art Formel herunter brechen:

Benutze Sounds, die schon Erinnerungen hervor rufen. Das Publikum ist auf bestimmte Klänge genauso konditioniert, wie auf bestimmte musikalische Akkordfolgen und Rhythmen.

Am Anfang war....

Lang hab ich überlegt, ob ich der Cyberwelt meine Gedanken mitteilen soll. Ob überhaupt jemand diese Gedanken lesen wird. Auch wenn einige der Meinung sind, dass Bloggedanken lieber beim Verfasser bleiben sollten, statt das Internet damit zu füllen, entschließe ich mich nun doch einen Blog zu eröffnen.

Worum wird es vorrangig gehen?

Um Musik, um Improvisation, um die Entstehung von Musik im Kopf eines Musikers, im Kopf eines Zuhörers, um Improvisationstechniken und Improvisationstheater, um Musik im Improvisationstheater und ihre Wirkung.

Ich hoffe, als Improvisationsmusiker, der viel im Bereich des improvisierten Theaters tätig ist, in Geheimnis der Musik bei dieser spontanen Form von Theaterspiel einzuführen und weiterzuführen.

Aber nicht nur das Theater wird eine Rolle spielen. Vielmehr ist die improvisierte Musik und ihre inneren Vorgänge Thema des Blogs. Ich sehe nach meinem einstündigen improvisierten Konzert, das ich ein Mal im Monat in Berlin spiele, immer wieder Fragezeichen über den Köpfen der Hörerschaft. Eine von ihnen werde ich versuchen, zu Ausrufezeichen zu machen. Was passiert im Kopf und mit den Fingern, wenn im Moment Musik entsteht und welche Mittel werden eingesetzt?

Vielleicht erreicht dieser Blog eine Leserschaft und vielleicht findet sogar eine Diskussion darüber statt. Das wäre mein Wunsch!