Donnerstag, 22. Mai 2014

Dieser Drang...

ständig etwas tun zu müssen. Nicht mal bei 30 Grad an den See fahren zu können mit einem Buch und ein paar Runden im Wasser zu drehen. Selbst bei strahlenstem Sonnenschein sitze ich zu Hause und bastle an einem Song. Mein Zimmer ist eher dunkel und kühl. Sicher auch nicht schlecht bei der Hitze. Aber Millionen von Angestellten schwitzen im Büro und würden gern einfach raus gehen. Ich könnte es und tue es nicht. Ich habe dafür nicht die Ruhe. Einmal mit einem Projekt angefangen, bin ich ungeduldig und will es eigentlich auch schnell beenden. Ist das der Preis der jahrelangen Improvisation? Etwas schnell zu schaffen und sofort wieder loszulassen? Ich merke, dass Komposition wirklich ein anderer kreativer Prozess ist, als zu improvisieren. Und weil ich so ungeduldig bin, hat es mich wohl auch zur Improvisation getrieben. Obwohl das, was ich komponiere im Grunde das Festhalten meiner Improvisation ist. Wie man so schön sagt: "Aller Anfang ist Improvisation". Stimmt ja auch. Ich denke manchmal, es liegt auch daran, dass man keine Hobbies mehr hat, wenn man seine Freizeitbeschäftigung zum Beruf gemacht hat. Aber das habe ich ja nicht gezielt und bewusst. Es ist eben eine Berufung. Und bei aller Freiheit schränkt es mich oft eher ein, weil ich dann hier am PC hänge und Musik mache, statt das Wetter zu nutzen und raus zu gehen. Vielleicht sollte ich es einfach akzeptieren, dass es mich dann eher zur Musik zieht. Ich arbeite seit Montag an einer Komposition, die schon lange auf der Festplatte liegt und beendet werden will. Es ist gut, etwas zu beenden. Aber die Ungedult macht mich auch wahnsinnig. Ich habe es im Kopf und mir geht die Umsetzung nicht schnell genug. Komposition heißt Gedult üben. Und irgendwann später dann los zu lassen. Aber dann muss ich auch richtig los lassen und nicht immer noch unzufrieden sein mit dem Ergebnis. Irgendwann muss ein Projekt abgeschlossen werden und einfach ein neues, anderes getan werden. John Lennon hat einmal gesagt: "Du schreibst 100 Songs und nur einer davon ist ein Hit". Dieser Druck - den ich mir selbst mache - macht es nicht einfacher. Muss es immer DIE Komposition sein. Kann es nicht einfach auch mal was nettes sein und gut? Mich regt das oft auf und ich muss nachsichtiger mit mir selbst sein. Es gibt den Drang kreativ zu sein, den Druck was Gutes zu machen, den Stress von mir selbst etwas zu beenden und die Ungedult, wann es endlich fertig ist. Obwohl es nie fertig ist. Manchmal schwer auszuhalten. Und doch liegt es oft daran, dass ich mir die Zeit und Ruhe für Komposition nicht nehme. Termine bringen mich im Prozess durcheinander. Ich denke schon 6 Stunden vorher an den Termin und bin gestresst im Komponieren. Ich versuche das mit Produktionswochen zu verbessern. Das gelingt mir teilweise. Immerhin ein Schritt. Am Ende frage ich mich dann noch "Passt das Stück in das Album rein, das es werden soll?" oder "Das ist doch ein ganz anderer Stil. Wo ist der rote Faden dann im Album?". Zusätzlicher Stress. Auch nicht nötig. Vor allem, weil man heute kaum noch ganze CDs verkauft, sondern eher einzelne Downloads. Das soll es ja auch werden. Das kann man dann bei bandcamp runterladen und das geben, was es einem wert ist. Ich versuche daran zu glauben, instinktiv das Richtige zu tun und lieber Musik zu machen, als in die 30 Grad da draußen zu gehen. Ich muss immer was tun. Manchmal nervt dieser Drang tierisch.

Foto: donflo.com
Am Sonntag gibt's vielleicht weniger Druck. Da wird improvisiert mit Gitarrist Florian Machnow und Tänzerin Simona Theoharova als Gäste in der Brotfabrik.

Hear and Now Concert Improv
25. Mai 20 Uhr
9/6 Euro

in der Brotfabrik Berlin
Caligariplatz 1
13086 Berlin

hear-and-now.com

Donnerstag, 15. Mai 2014

Virtuosentum vs. Clownerie

Am 21. Juni spiele ich mit meinen Kollegen Hear and Now im Rahmen der Fête de la Musique im Kulturforum Berlin Hellersdorf. Klingt erst einmal nicht danach, als würde wir dort hin passen, aber da wir unbedingt mehr spielen wollten, habe ich mich sehr gefreut eine Zusage einer Location zu bekommen. Man muss sich als Act nämlich bewerben und die Bühnen suchen dann aus, wen sie auftreten lassen wollen. Alles natürlich unendgeltlich, wie üblich bei der Fête. Ich telefonierte mit einer netten Dame vom Kulturforum und wir sprachen darüber, was wir überhaupt machen. Das ist jedes Mal schwer zu sagen, da wir nicht wirklich das Label Jazz haben. Wir klingen oft nicht nach Jazz und manchmal sehr. Improvisation lässt sich eben schwer in die Schublade stecken. Gut, dass die Dame unsere Videos vorher gesehen hat. Sie meinte, wir würden gut ins Programm passen, wo andere Jazz und "leichte Klassik" (also Pop Klassik mit einfachen, bekannten Melodien, vermute ich mal. Klassik Radio lässt grüßen. Bloß keinen überfordern... ;)) spielen. Also werden wir gesandwicht von dort wohl schon bekannten Acts. Gute Sache und eigentlich auch egal, denn wir wollten einfach nur spielen. Unser Label heißt also nun Jazz, Experimentell, Improvisation. Passt ja auch. Bin gespannt, wer kommt. Die Jazzpolizei vermute ich. Also ältere, graue Herren, die guten Dixiland erwarten. Naja, den bekommen sie jedenfalls nicht.

Musik-Clown
Ungarische Briefmarke 1965
Quelle: wikimedia.org
Mir ist nur aufgefallen, dass die Dame mich fragte, ob ich denn den anderen Musiker kenne. Immerhin ist er verwand (der Vater oder so) mit einem bekannten Dirigenten. "Aha", dachte ich. "Keine Ahnung", sagte ich. Ich schaute mir aber aus Neugier natürlich die Website an. Da fand ich also einen 18 jährigen Pianisten und Gitarristen. Der bezeichnet sich selbst als Ausnahmetalent. Presseartikel, die nur davon sprachen, wie schnell er spielen konnte, konnte ich dort finden. Und dass er seit dem 6. Lebensjahr Klavierunterricht hat. Aha. Mal wieder so ein Fall von "Beeindrucken durch scheinbare Sensationen". Über dieses "Ich habe schon mit 3 Monaten meine erste Beethoven Sonate auswendig gespielt" in Lebensläufen habe ich schon in meinem Podcast gesprochen. Was soll das? Glauben immer noch alle an den Mozart-Wunderkind-Mythos in jedem gott verdammten Musiker? Wem bringt das was? Es gibt genug Leute, die zwar gut spielen, vielleicht auch weil sie so früh angefangen haben, aber es gibt auch wenige, die wirklich gut Musik machen, trotzdem sie so früh angefangen haben. Könnt ihr mir folgen? Was sagt das aus? Erst einmal gar nichts. Dann der zweite Fakt, dass die Presse einen  lobt, weil man so schnell spielen kann. Wer braucht das? Das ist beeindrucken von ahnungslosen Nicht-Musikern. Das ist Leistungssport auf der Bühne und hat nichts mit musikalischem Können zu tun. Das könnte sogar ein Esel, wenn er nicht so große Hufen hätte. Man muss nur lang genug üben. Am besten man fängt mit 6 Jahren an. Und wenn man dann groß genug ist, von seinen Ahnen auf eine Bühne geschliffen zu werden, kann man dann bewundert werden, wie ein Pudel in der Manege oder der stärkste Mann der Welt auf dem Jahrmarkt. Man kann vielleicht sogar der Presse keinen Vorwurf machen. Oft wissen sie einfach nicht, was sie über die Musik schreiben sollen, weil sie keine Fachpresse sind. Also beschränkt man sich auf das Offensichtliche, also die Effekte. Aber es ist das selbe, als würde man einem Fotografen sagen, dass er eine tolle Kamera hat. Nur wenn man dann selbst mit diesen Presseartikel wirbt und sich auch noch deswegen Ausnahmetalent nennt, finde ich das einfach misslungene Werbung für sich selbst. Natürlich muss man sich als Künstler irgendwie verkaufen, damit man auch voran kommt, aber braucht man dafür einen Formulierungen, die klingen, als würden sie die neue Mercedes S-Klasse bewerben? Warum nicht einfach die Musik für sich sprechen lassen? Das Problem daran ist: Man schürt Erwartungen. Und was passiert, wenn der arme Junge irgendwann dahinter kommt, dass es nicht darum geht, am schnellsten zu spielen, sondern den richtigen Ton zur richtigen Zeit? Dann wird sich wohl die Musikerverwandtschaft spöttisch abwenden und meinen, er hätte eine große Karriere vor sich gehabt. Hört endlich auf damit, ein Mozart-Wunderkind-Bild zu malen. Alle machen Musik, sogar mehr, als man glaubt. Und es gibt tausende, die besser spielen, nicht schneller, aber besser. Und um so mehr kommt es darauf an, man selbst zu sein und so zu spielen, wie man selbst es will. Wenn man spielt, um das Publikum zu beeindrucken mit spieltechnischen Effekten, sollte man im nächsten Zirkus die armen Tiere befreien und sich an deren Platz zur Verfügung stellen. Virtuos ist das eine, aber es kann schnell zur Clownerie verkommen.



Hear and Now
zur Fête de la Musique

am 21. Juni
19-20 Uhr
Eintritt frei
ab 21 Uhr Jamsession mit allen Musikern des Tages



Montag, 5. Mai 2014

10 Punkte, wie man Szenen im Improtheater musikalisch gestalten kann

Improtheater Paternoster
10 Jahre in der Kulturbrauerei Berlin vom 7. bis 9. Mai

  1. Die Musik beginnt und ist auch Inspiration für die Spieler
  2. Eine Figur bekommt bestimmtes Instrument, Harmonien, Melodie, Rhythmus
  3. Die Musik bedient das Oberthema der Geschichte, nicht der einzelnen Szene
  4. Die Spieler spielen gegen die Stimmung der Musik
  5. Nur ein Spieler spielt mit der Musik, der andere "ignoriert" sie
  6. Die Musik sucht die Lücken im Dialog
  7. Die Szene wird nur mit Rhythmusinstrumenten musikalisch gestaltet
  8. Die Szene beginnt mit einer Songbegleitung oder einem Song
  9. Musik nur zu Beginn und dem Ende hin
  10. Ein Song mit Textzeile passend zur Aussage wird drüber gespielt.

Mehr dazu auch in meinem Podcast zu improvisierter Musik und Musik im Improtheater unter www.impro-musik.de