Montag, 19. August 2013

12 Stunden Solo spielen - Über den Impromarathon

Im April habe ich das persönliche Experiment gewagt, nahezu 12 Stunden am Stück solo am Klavier zum improvisieren. Beim 1. Berliner Impromarathon am 27.4. dieses Jahres hatte ich die Gelegenheit dazu. Noch länger als der Marathon dauerte es, bis ich nun endlich mal die Aufnahmen, die ich in diesen 12 Stunden gemacht hatte, online zu stellen. Nun ist es aber endlich so weit. Ich habe ein Set von fünf Teilen zusammengestellt. Die Teile wurden jeweils dort geschnitten, wo ich auch während des Marathons Pausen gemacht habe. Wenn man es also genau nimmt habe ich nicht 12 Stunden am Stück gespielt, sondern reine Spielzeit waren ca. 6,5 Stunden und Pausenzeit 5,5 Stunden. Mein Körper ließ dann doch nicht zu, wirklich von 15 bis 3 Uhr morgens durchzuspielen. Ich wollte danach ja meinen Beruf noch ausüben und mich nicht unfähig machen damit. Aber auch mit Pausen war es anstrengend genug. Besonders für meinen Rücken eine Herausforderung. Begleitet wurde ich die ganzen Stunden über von Friedemann Brenneis, einem Reporter des Deutschlandfunks. Er interviewte mich in den Pausen und fragte nach meinem Zustand, wie es mir geht und was die Inspiration macht. Wir hatten uns vorher unterhalten, was die Befürchtungen sind. Ich dachte, mir würden irgendwann die Ideen ausgehen. Weit gefehlt. Ich hätte sogar noch weiterspielen können. Also habe ich mich nicht leer gespielt, wie vermutet. Müde war ich dennoch nach all der Zeit. Und Friedemann sichtlich auch. Der kleine Beitrag wurde am 29.4. in der Sendung Corso im DLF gesendet und ist auch im Set zu hören.




Eine meiner Erkenntnisse war, dass die Pausen mir natürlich geholfen haben, dass die Ideen nicht ausgehen. Ich konnte sozusagen frisch an's Werk gehen. Wer weiß, ob es anders gelaufen wäre, hätte ich wirklich 12 Stunden am Stück gespielt. Eine weitere Vermutung war, dass sich die Musik über die Tageszeiten verändern würde. Ich meine, dass sie das auch tat. Ich hatte gen Ende hin eine Stimmung, wie in einer Chopin Nocturne. Sicher auch, weil ich an die Nacht dachte und meine Assoziation nunmal eine Nocturne war. Ich spielte die ganze Zeit gegen die Wand blickend. Das half mir, wirklich in der Musik zu bleiben und mich nicht vom Rein- und Rausgehen der Leute ablenken zu lassen. Zusätzlich hatte spielte ich mit geschlossenen Augen. Aber das mache ich sowieso zu 90% in meinen Konzerten. Das ermöglicht mir das komplette Eintauchen in den Klang. Teilweise bemerkte ich so nicht, dass die Galerie, in der ich spielte, gut gefüllt war. Die Zuschauer lauschten fast geräuschlos. Ich vermutete meistens, dass ich allein sei. Ich dachte ab und an während der Impro über das ganze nach. Ob jetzt wohl jemand zuhört und soetwas. Aber den Flow hatte ich nur, wenn ich wirklich in der Musik war. Keine Gedanken, sondern nur Gedanken in Töne, Tasten, Harmonien und Melodien. Die Tasten sah ich nur vor meinem geistigen Auge. Ich spürte mit Fingern und Ohren, welche Tasten ich drücken müsste. Es funktioniert gut. Fast wie Zehn-Finger-System auf der PC-Tastatur. Die Zeit war zwischendrin nicht mehr wichtig und auch nicht fühlbar. Meine Rückenschmerzen besserten sich durch eine Schmerztablette und den Pausen. Die Müdigkeit war spürbar, aber nicht hinderlich. Sie versetzte mich eher in Ruhe und Trance, die in der Musik half und im Flow. Dennoch wurde die Teile von mal zu mal kürzer. Der erste Teil war 1:40 Std., der letzte dann nur noch 1:08 Std. Und das war letztlich wirklich nur meinen körperlichen Beschwerden und Bedürfnissen geschuldet. Der Geist war also willig, aber das Fleisch war rar.

Ich würde soetwas wieder tun. Es war ein schönes Experiment. Hatte einen sportlichen Charakter, weil ich meinen Körper spürte und einen meditativen über die lange Zeit über die Musik in den Flow zu kommen. Gedanken wurden nachrangig und ließen nur Musik sprechen. Eigentlich das, was ich gehofft hatte.




2 Kommentare:

  1. Leider war ich nicht so oft in der Galerie zum Zuhören, wie ich gehofft hatte, aber jedes Mal wenn ich mir eine Auszeit nahm, war es sehr erholsam. Bei Dir herrschte Ruhe und eine meditative Stimmung, die ich für den Marathon als sehr aufbauend empfand. Ich würde mich freuen, wenn Du auch beim 2. Marathon mit dabei wärst.

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  2. Hey Thomas,

    vielen Dank für das Kompliment. Ich würde gern beim 2. Marathon ein neues Experiment starten!

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