Dienstag, 2. Juli 2013

Es gibt sie wirklich diese Anfragen

Vor einiger Zeit kursierte im Internet ein kleiner Mailwechsel zwischen einem Restaurant und einem Musiker, der auf die Anfrage der Gastronomen reagiert. Hier das Original:

Quelle: echtlustig.com
Was hier auf der Website mit Namen "Echt lustig" bezeichnet wird, finde ich als Musiker eigentlich gar nicht mehr lustig. So geschehen erst gestern. Ich erhielt einen Anruf vom Inhaber eines Restaurants in Berlin Prenzlauer Berg. Schon im Eingangssatz wurde erwähnt, dass das Etablissement nächstes Jahr einen Gourmetstern erhalten wird. Außerdem fiel mehrfach das Wort "deutsch" im Zusammenhang mit: "Wir sind ein deutsches Weinlokal. Wir machen einen deutschen Abend mit deutschen Weinen und wollen dazu von Ihnen deutsche Klassiker gespielt haben auf dem Klavier". Dass das Klavier dabei nicht auch deutsch sein sollte, verwunderte mich zu diesem Zeitpunkt bereits. Nun gut. Professionell höre ich mir die Fakten an und nehme die Daten auf, schaue nach ob ich Zeit habe und mache ein Angebot. Das wurde auch akzeptiert. Warum auch nicht, denn die Veranstaltung ist in fünf Tagen. Die Zeit drängt also und ich hörte schon heraus, dass es eigentlich egal ist, welcher Musiker da nun zwischen den Gästen sitzen und zwischen den Gängen des Menus spielen sollte. Deutsche Klassiker. Ich wieß gen Ende des Gesprächs darauf hin, dass ich keine Kompositionen spiele, sondern ein Improvisationsmusiker bin. Ich erläuterte den exquisiten Charakter, weil individuelles Erlebnis, nicht wiederholbar. Das sind eben die Vorzüge der Improvisation. Schien mir auch passend das zu betonen, wenn sie schon so einen tollen exquisiten Laden haben, zu dem ich ganz vergessen hatte, zu gratulieren. Ist ja klasse. Mein Gegenüber schien überrascht, dass ich seinen Wunsch nach deutschen Klassikern zurückwies. Er hatte nicht einmal meine Website besucht und gesehen oder gehört, was ich mache. Schließlich haben ja Künstler kein Geld und müssten doch bereit sein jeden Kundenwunsch zu erfüllen. Er wollte also kurz Rücksprache mit seinem Bruder halten und zurückrufen. Der Bruder rief dann wenige Minuten später zurück. Ihm erklärte ich auch nochmal meine Kunst. Aber fest buchen wollte er noch nicht. Ich gab Bedenkzeit, weil ich da bereits spürte, dass ich mich nicht so wohl fühle bei der Sache. Auch er wollte gleich zurückrufen. Tat er dann aber nicht. Nun gut, ich hab noch andere Dinge zu tun, als auf Anfragen am Telefon zu warten. Als ich später nach Hause kam, war ein Anruf auf der Mailbox. Die Worte "...Wir würden es gerne mit Ihnen probieren." Unterton eher: Wir wissen nicht, was Sie da machen, aber zur Not kann man sich ja auch hinterher noch beschweren. Das war zumindest mein weiter wachsendes negatives Bauchgefühl. Ich entschloss mich, nicht gleich, sondern erst heute zurückzurufen. In der Zwischenzeit habe ich hin und her überlegt. Es ist natürlich nicht so, dass man Geld einfach ausschlagen will, wenn es eine Anfrage gibt. Aber mein schlechtes Bauchgefühl wollte sich einfach nicht mit der Aussicht auf Gage bessern lassen. Also entschied ich mich abzusagen. Ich sprach dem guten Mann auf die Mailbox, dass ich die Veranstaltung nicht spielen werde und wünscht ihm viel Glück bei seiner Suche. Später rief er zurück. Meine Frau nahm das Gespräch an. Sie erklärte noch einmal den Sachverhalt, dass ich nicht spielen werde. Der Anrufer war verwundert, warum ich denn nicht zu Hause wäre. Außerdem klang er danach, als hätten wir bereits einen Vertrag geschlossen und alles wäre klar. Dann fragte er meine Frau, ob sie nicht einen anderen Pianisten kennenwürde. Immerhin haben sie ein hervorragendes Restaurant. Es werden viele Unternehmenschefs kommen zu dem Essen. Also ein Rahmen, bei dem sich ein Künstler hervorragend präsentieren könnte vor exquisitem Publikum. Es wäre ja eine Chance quasi. Meine Frau schlug trocken Google vor und verabschiedete sich dann.

Zurück blieb ein konsternierter Restauirantinhaber, der nicht verstand, dass er selbst einen Künstler suchen muss, sich vorher einmal die Website ansehen und Hörbeispiele hören sollte, bevor er eine überhebliche Anfrage stellt. Mein Bauchgefühl hatte mich nicht im Stich gelassen. Einige Formulierungen klingen wie Signale in meinen Ohren nach: "Gourmetstern, präsentieren, Unternehmenschefs, Chance". Nichts lief auf Augenhöhe ab. Der Respekt war nur oberflächlich. Es sollte eine Dienstleistung vollbracht werden und mehr nicht. Es sollte irgendjemand, irgendetwas Deutsches spielen. Es wurde der erste Treffer bei Google angerufen. Ok, danke dafür. Aber so? Es hat mir wieder gezeigt, dass mich das Gagenangebot allein nicht glücklich macht. Dass es viele Menschen mit Geld gibt, die Macht über einen ausüben wollen. Nicht nur über mich, sondern sogar über Unbeteiligte, wie meine Frau, die er am liebsten noch googlen lassen wollte. Man könnte meinen, diese Menschen meinen es ja nicht so. "Du kennst die doch gar nicht persönlich" Ich hätte einfach Nein sagen können und gut. Nein, das ist nicht so einfach abgetan. Das sind genau solche Anfragen, die ich frech und unhöflich finde, weil sie arrogant und herablassend dem Künstler gegenüber ankommen. Auch wenn man keine Ahnung hat von Kunst, kann man einfach mal freundlich nachfragen. Aber von seinem tollen Laden zu sprechen und den tollen Kunden, die so viel Einfluss haben, das soll nur zeigen, wie klein du als Künstler bist und hier hast du, Hofnarr, eine kleine Chance, dass du vor den Herrschaften spielen "darfst"! Weil du ja sonst nur zu Hause am Hungertuch nagst. Nein, soetwas möchte ich nicht bedienen. Ich möchte nicht zum reinen Objekt der Dienstleistung verkommen. Auch wenn diese Jobs für uns Künstler immer wieder wichtig sind. Ich versuche soetwas so oft es geht zu vermeiden. Denn das Geld macht doch nicht glücklich, sondern es zu Vermeiden, mit solchen Menschen etwas zu tun zu haben. Bei qype.de wurde treffend in einer Berwertung zum Restaurant geschrieben:

"Ostentativ höherpreisig-heimatverbundene kost, mit der man im revier von leuten, die ihre kinder otto, emma und paul nennen, fischen möchte. könnte funktionieren, dröges angebiedere an einen kiez ist es dennoch."

Und nun habe ich am Samstag frei und werde mit meiner erst am letzten Samstag geheirateten Frau einen tollen Tag verbringen. Wohl eher in einem anderen Restaurant.

1 Kommentar:

  1. Immer diese nervige Alles-Umsonst-Haben-Mentalität geht mir auf die Nerven. Wie kommen die Leute auf die Idee, dass Musik nichts kostet? Und wie kann man als Musiker bekannt werden, wenn man in einem kleinen Restaurant spielt? Die Antwort der Kollegen war absolute richtig und auch verdient. Klasse gemacht.

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